Anna Klassen | Applaus der Franzosen

Anna Klassen , 29.04.2020

Anna Klassen
Anna Klassen

Applaus der Franzosen

Wie lange wird die Corona Krise dauern? Das Gefühl der Isolation macht einsam. Ich merke am Abend, dass die Gefahr gross ist, vor dem Fernseher zu versauern. Schalte ich ihn ein, kommt schon wieder dieses Thema. Und dann kommen erfreuliche Nachrichten, z.B. die grosse Hilfsbereitschaft gegenüber Italien; der Applaus der Franzosen für den Einsatz im Lebensmittelhandel; dass einige Ärzte freiwillig behandeln. Diese Solidarität und Menschenliebe berühren mich.

Und mir fallen Aussagen ein wie: Ich kann allem etwas Positives abgewinnen, wenn ich darin irgendeine Möglichkeit sehe, etwas zu tun, das mir am Herzen liegt und dadurch Sinn gibt.

Klingt für mich fast wie eine Standard Antwort in schwierigen Situationen des Lebens. Und vorschnelle Antworten kann ich nicht leiden. Aber dann sage ich mir, ich könnte etwas tun, das ich schon lange will z. B mein Englisch verbessern. Also schaue ich mir abends eine DVD auf Englisch an. Es macht Spass, den eigenen Zielen etwas näher zu kommen. Oder ich telefoniere mit einer guten Freundin. Wir kotzen uns aus. An einem anderen herrlichen Frühlingstag beobachte ich aus dem Fenster die unbeschwerten, spielenden Kinder im Hof.

 

Der Alltag bietet jetzt mehr Lücken als sonst, da die Normalität mit ihren Aktivitäten und Abläufen eingeschränkt ist. Es erinnert mich, bildlich gesehen, an meine Reise durch die Halbwüste Israels im vergangenen Jahr. Die Farbtupfer durch bunte Pflanzen und Häuser in einer kargen Landschaft, fesselten meine Augen. Der Blick wird für das Schöne und das, was auf Leben deutet, geschärft, wenn die Ablenkung nicht so gross ist.

Heute ist oft die Rede von Alltagsinseln, auf denen man dem Leistungsdruck, der zuweilen einem Hamsterrad gleicht, entfliehen kann. Ich entdecke durch die Verlangsamung einmal mehr das Innehalten und bin in der Lage bewusster zu meditieren. Sich öffnen für das, was alles durchdringt, trägt und überschreitet. Viele nennen es Gott; andere die Mitte; die Mystiker – pure Präsenz. Sind nichts weiter als Namen.

Hermann Hesse hat das, was mir in dieser Zeit wichtig wurde, in einem seiner Gedichte wunderbar auf den Punkt gebracht: «Sammle dich und kehre ein, lerne schauen, lerne lesen! Sammle dich – und Welt wird Schein. Sammle dich - und Schein wird Wesen».

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