Béatrice Stössel - Es lockt das Laster

Béatrice Stössel, 30.12.2020

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

Vorsätze! So ein Blödsinn, da mache ich schon lange nicht mehr mit. Wer will schon zur Hölle fahren? Wenn schon, dann in den Himmel aufsteigen! Obwohl man munkelt, dass es in der Hölle lustvoller zugeht. Das Laster lockt. Die Versuchung winkt und verspricht sündhaftes Dasein. Und sündigen kann so herrlich sein. Haben wir es nicht gerade hinter uns? Das Weihnachtsgebäck macht sich auf den Hüften breit. Die kulinarischen Köstlichkeiten haben Sie hoffentlich reichlich genossen und sämtliche Gelüste gestillt bei üppigen Gelagen. Man gönnte sich ja sonst nichts. Zumindest die Völlerei wurde uns nicht genommen. Oder????

Doch zurück zu den Vorsätzen. Wie gesagt, ich habe diesem Unsinn im Grunde genommen schon vor Jahren abgeschworen. Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist.... na ja Sie wissen schon.

Zum Beispiel heute! Es ist Montag und die Pendenzenliste lang. Plötzlich spukt mir eine „literarische Idee“ durch den Kopf und lässt mich in die Tasten greifen. Die Hausarbeit muss warten. Dabei lautete meine Devise: Keine Ablenkung, bevor nicht die Wohnung in Ordnung gebracht und somit der erste Punkt der langen Liste abgearbeitet ist. Doch wenn mir beim Staubwischen gerade DIE guten Formulierungen einfallen welche UNBEDINGT geschrieben werden müssen, nützen alle guten Vorsätze nichts. Ich lasse, schlechtes Gewissen hin oder her, meine Finger über die Tastatur tanzen und freue mich, wenn etwas Lesbares dabei rausspringt.

Gerade fallen mir Szenen ein aus der Zeit, als ich als Personalvermittlerin tätig war. Da kam ich des Morgens ins Büro und nahm mir ganz fest vor – ein echter Vorsatz also – heute ausschliesslich die längst fällige Administration zu erledigen und schon klingelte das Telefon. 

Ein Arbeitsuchender brauchte meine Unterstützung. Oder ein Arbeitgeber meldete eine freie Stelle und fragte nach ob ich nicht jemanden wüsste, der für diesen Job die Idealbesetzung wäre. Und schon kämmte ich die Profile meiner Stellensuchenden durch, telefonierte hin und her und war überglücklich, wenn es mit der Vermittlung klappte. Schwupps war der Feierabend da. Der Stapel „Administration“ thronte nach wie vor als dringend zu erledigende Pendenz auf dem Pult. Ob mich das störte? Nein, ich liebte die Unterbrechungen und konnte gut damit umgehen. Viel besser als mit dem sturen Durchbeissen und dran bleiben. Erledigt wurde die Administration eben in einer Nachtschicht. 

Was ich sagen wollte, bei mir hatten Störungen Vorrang. Ich brauchte sie, weil es meine Arbeit beflügelte. Und so komme ich zum Schluss, dass mein Weg wahrscheinlich in die Hölle führen wird, wegen der nicht eingehaltenen Vorsätze. Doch vielleicht hat der liebe Gott ein Einsehen und sagt sich: Dafür hat sie so viele andere Dinge prompt erledigt, die sonst liegengeblieben wären und öffnet seine Himmelspforte für mich. Der Teufel muss warten.

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