Blütenweisse Kloschüssel

Béatrice Stössel, 29.03.2022

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

Wie halten Sie es mit der Kunst? Konkret meine ich die Kunst, welche in Museen ausgestellt wird. Vor allem in Museen wie dem Kunsthaus in Zürich oder in den wirklich fantastischen Kunstmuseen Winterthurs. Letztere stehen übrigens immer wieder auf meiner Besucherliste, wenn ich den Anlass: „Kunst küsst Worte wach“ besuche, der dort regelmässig angeboten wird. Eine Gelegenheit, sich schreibend einem Bild zu nähern. Ich liebe diese Veranstaltung sehr, ist sie mir doch immer eine neue Inspirationsquelle.

Berichten möchte ich Ihnen aber heute vom Besuch im Kunsthaus Zürich. Ein Freund lud mich ein, mit ihm die Ausstellung von Yoko Ono zu besuchen. Zweimal liess ich mich nicht bitten, schlüpfte in Mantel und Schuhe und fuhr los. Vor Ort gab es zuerst eine Videoeinführung der Kuratorin im schönen Saal des gelungenen Neubaus. Die Dame schwärmte, dass es dem Haus gelungen sei, einen repräsentativen Querschnitt aus dem Schaffen der Künstlerin zu zeigen. „Sie hat sich nicht nur für den Frieden engagiert, sondern machte immer wieder auf Gewalt an Frauen aufmerksam“, so die Kuratorin. Entsprechend neugierig war ich, denn wenn ich ehrlich bin, erinnerte ich mich einzig an die Bilder der Bettszene mit John Lennon, ihrem Ehemann, die vor Jahrzehnten durch die Gazetten und über die Bildschirme dieser Welt flatterten und nicht zu übersehen gewesen waren, auch wenn man das gar nicht sehen wollte.

Soweit so gut. Wir erklommen den zweiten Stock und … 

Als Erstes gab es ein Video zu sehen. Yoko Ono, die auf dem Boden sitzend wartete, dass man ihre Kleider zerschnitt. Der Sinn dahinter??? Vielleicht zu zeigen, wie Menschen andere entblößen mit nur einem Schnitt? OK, sagte ich mir, sicher gibt es noch Dinge, welche ich besser verstehen kann. 

Das nächste Objekt, welches mir ins Auge stach, war ein geschätzt fünf Meter langes weißes Brett. Darauf zig Wasserfläschchen fein säuberlich aufgereiht. Alle etikettiert und von ihr handschriftlich mit Namen von prominenten Menschen versehen. Erinnern kann ich mich einzig an den von Churchill, die anderen Namen habe ich vergessen. Es folgte eine Wand voller Zettel im Format 10 x 10 cm. Darauf getippte Texte mit irgendwelchen „Weisheiten“. Mein Freund und ich schauten uns etwas ratlos an, in Anbetracht des Dargebotenen. 

Mitten im Saal stand ein grosser Basteltisch, übersät mit zerbrochenem Geschirr aus weißem Porzellan. Das war eine Einladung an die Besucher.
Sie sollten die Scherben mit Schnüren wieder zusammenbinden. Um so ein Kunstwerk zu gestalten? Das war wohl die von der Kuratorin empfohlene Interaktion. Aha!

Beim nächsten, sogenannten Kunstwerk, lagen haufenweise Kleider am Boden und erinnerten mich an die Waschtage von früher. Damals wusste ich nicht, dass dies irgendwann Kunst sein könnte, ich empfand den Waschtag in den Fünfzigerjahren jeweils als Arbeit. Kein Vergleich zu heute.

Nun näherten wir uns dem offensichtlichen Höhepunkt! Eine blütenweiße Kloschüssel, (Marke war nicht auszumachen), umstellt von diversen Plexiglaswänden! Wahrscheinlich war dies der Schutz für das WC vor dem Corona Virus. – Oder gar eine radikal-transparente Version der als so fortschrittlich gepriesenen Unisex-Toiletten???

Mit dieser Art von Kunst kann ich gar nichts anfangen. Sie darin zu entdecken, gelingt mir schlicht und einfach NICHT. Wenn ich mir vorstelle, wie viel Vorarbeit nötig ist, um eine Ausstellung auf die Beine zu stellen! Es braucht viel Herzblut von der Leitung eines Kunsthauses. Das respektiere ich und will deren Engagement keinesfalls schmälern. Nur frage ich mich, was das mit Kunst zu tun hat? Sie merken schon, Sie haben es mit einer Kunstbanausin zu tun. Zumindest was solche Ausstellungen betrifft.

Verrückten – oder, sagen wir: unkonventionellen Künstlern kann ich durchaus etwas abgewinnen. Allen voran Salvador Dalí. Unvergesslich die Ausstellung vor einigen Jahren in Genf. In Málaga besuchte ich das Museum von Pablo Picasso und entdeckte frühe Zeichnungen. Perfekte Bilder. Ab da sah ich seine Entwicklung in eine neue Richtung mit ganz anderen Augen. Vielleicht müsste die Frau Kuratorin mir erklären, was denn an einer Kloschüssel hinter Plexiglaswänden Kunst sein soll? Ich lerne gern dazu.

So möchte ich auf die Veranstaltung: Kunst küsst Worte wach, organisiert von den Kunstmuseen in Winterthur zurückkommen. Die Autorin Sabine Meisel lädt ein, sich jeweils mit einem Bild auseinanderzusetzen und nachzuspüren, was ein Werk mit dem Betrachter, der Betrachterin macht. Assoziativ – nicht als Bildbeschreibung! Und es ist immer wieder faszinierend, welche Worte und Gefühle sich bei dieser Betrachtungsweise bei mir einstellen. Manchmal ist es Wut, dann wieder Witz, mal Streitgespräche versus Dahinschmelzen oder blankes Entsetzen. Und wenn ich jetzt so nachdenke, hat mich die Ausstellung von Joko Ono ebenfalls zum Schreiben gebracht. Wenn man mich aber fragt: „Soll ich mir die Ausstellung in Zürich ansehen?“, lautet meine ehrliche Antwort: „Das können Sie sich sparen.“ Wenn Sie es trotzdem wagen wollen, die Ausstellung dauert noch bis zum 29.5.2022.

Mit besten Grüssen Ihre Kunstbanausin Béatrice Stössel

PS: Vielleicht treffen wir uns ja im Kunstmuseum Winterthur, am 12. April oder 22. Mai 2022, wenn es wieder heisst: Kunst küsst Worte wach. Es lohnt sich. Bis dann!

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