Simone Buser - Countdown

Simone Buser, 03.03.2020

Simone Buser
Simone Buser

«Gsesch guät us.»

«Ah, Dankä… findsch?»

«Ja, würkli...»

Freundinnen schlendern unter Platanen. «Für dis Alter!» Diesmal mehrstimmig, ungekünstelt.

Als Älteste im Reigen bahne ich wie ein Pflug den Pfad in die Silberreife. Komplimente von meinen selbstkritischen Frauen schmeicheln mir. Aber schwingt da nicht auch das Quäntchen feminine Würde mit, das wir uns gegenseitig mit den Jahren zugestehen? Zwei Schritte auf einmal, ein Hüpfer. Hab ich‘s doch gewusst.Da sind noch Spuren der Ebenmässigkeit hinter den erschlaffenden Strukturen erkennbar!

Die jungen Jahre waren geprägt von der Suche nach dem Prinzen, der schon durch die Tagträume unserer Teenagerjahre geisterte. Geküsst haben wir dann einen Frosch nach dem anderen und am Ende haben ganz profan die Instinkte entschieden. Mädels, wäre weniger wohl mehr gewesen?

Heute kräht selten ein Hahn nach mir. Der angetraute Gockel ausgenommen. Tatsächlich gibt der noch ab und zu ein Krächzen von sich. Ein bisschen schmerzt es schon. Die allgemeinen Avancen haben sich im Mikrobereich eingependelt, genau wie das Östrogen in meinem Blut. Weder schweisstreibende Kraftübungen noch Crawllängen im Olympiabecken, vermögen die früher begehrten Polsterungen an der richtigen Stelle zu halten.

Einst lechzten die Schwärmer nach jedem Häppchen Erhörung. Würde ich heute all meine Köder auf einmal ins Haifischbecken werfen, setzten sie bestenfalls Algen an. Aber erinnert ihr euch noch an die omnipräsenten Schmalztiraden? Perlten sie nicht irgendwann wie an einer imprägnierten Pelerine von uns ab?

Nach zaghaften Schritten auf dem Parkett der Ausgemusterten, fühlt sich das Heute erfrischend und nach köstlicher Narrenfreiheit an. Nicht mehr wie ein Maulwurf im hormongeschwängerten Humus der Geschlechterverstrickungen herumwühlend, kreise ich wie ein Adler um die Wipfel. Von der Gebär- und Aufzuchtspirale ausgeklinkt, schaue ich neidlos auf das Balzverhalten der Jungen und ihre Silhouetten. Von da oben lassen sich ungeahnte Leckerbissen erspähen, die den Lebenslauf versüssen wie Rosinen einen Gugelhupf.

Nur sollte das Gestell noch mitklappern, die Eingeweide, wie im Orchester, ihren Einsatz nicht verpassen und den Bogen einigermassen harmonisch zueinander spannen. In Anbetracht des „Worst Case“ mogeln wir zum Glück so manches Zipperlein weg. Da ist Köpfchen gefragt. Im Netz findet man all die selbsternannten Positiv-Denker und Gesundheitsgurus, die ihren Senf in ihre Youtube-Filmchen stecken.

Doch aufgepasst, im nahenden Countdown fangen die Jahre an, sich mit sich selber zu multiplizieren. In jedem Frühling wohnt plötzlich dieser einzigartige Zauber inne. Das Bodenerdige zerrt erbarmungslos an uns. Während wir unsere Schokoladenseite noch lange dem Scheinwerferlicht entgegenstrecken, giert es danach, uns zu verschlucken, um uns bald darauf himmelwärts wieder auszuspucken.

Mein Fazit? Endlichkeit färbt das Leben bunt und nicht mehr müssen, aber noch viel können, regt den Appetit an. Zudem verheissen die demographischen Barometer, als Trendsetterin nochmals von Sommerfrische überrascht zu werden. Flower-Power auf dem Kreuzfahrtdampfer oder Klangschalenyoga im «thailändischen Outback» lassen verwelkte Blätter bestimmt wieder grünen. Auf jeden Fall in die eigene Kraft und Leidenschaft implodieren, statt die Visage zu polieren, das ist zukünftig meine Devise. Und eure?

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