Die Vögel singen weiter

Sabine Schaub, 29.09.2022

Unter der Buche im Friedwald liegt die Asche von Isas Mann begraben. Sie sitzt am Baum und zieht Resümee aus den schwierig-schönen gemeinsamen Jahren. "… wir hatten Geliebte nebenbei und unsere Ehrlichkeit war schonungslos. Wir liebten Bach-Kantaten und sind uns schrecklich auf die Nerven gegangen. Wir brüteten schräge Ideen aus (darin warst du Meister!), wir konnten unsere Gedanken lesen, liebten Tantramassagen und sangen im Kirchenchor ... "

Die Erinnerungen weiten sich. Da ist ihre Großmutter, die mit dem Verlust ihrer beiden Söhne ringt und die daran festhält, dass der Ältere nur vermisst sei. "Vermisst ist nicht tot", sagt sie immer wieder, bis sie daran zerbricht. Isas Großvater dagegen, beschließt zu sterben und stirbt kraft seines Gottvertrauens innerhalb der beabsichtigten zwei Wochen. Im Gegensatz zu Isas Großeltern war ihre Schwiegermutter Irmgard als Jugendliche Nazi-Anhängerin und hätte sich und ihren Sohn am Kriegsende erschießen sollen, wie es der Rest ihrer Familie getan hat. Sie wählt das Leben und erst im Alter den Freitod.

Tragisch auch das Schicksal von Schwester Gertrud, einer genialen Hebamme. Nach tausend Geburten überfährt sie in einem unaufmerksamen Moment ein Kind, das sie selbst ans Licht der Welt brachte. Sie wird damit genauso wenig fertig, wie Friedrich, der das Leben seines Bruders leben muss, weil dieser als Kind von einer Handgranate zerfetzt worden ist. So entfaltet sich ein Kaleidoskop aus immer neuen Bildern von Menschen, die miteinander verflochten sind. Geschichten von Reue, Versöhnung, Liebe und Schuld, die einen lange nicht loslassen. Sie sind von schöner Einfachheit und raffinierter Komposition. Mal traurig, mal heiter und immer optimistisch.

DIE VÖGEL SINGEN WEITER | Vom Leben und Sterben von Lea Söhner

DIE VÖGEL SINGEN WEITER | Vom Leben und Sterben
von Lea Söhner

Erzählung, 152 Seiten, Tredition Hamburg 2022 ISBN 978-3-347-66902-4


LEA SÖHNER, geboren 1958 im Schwäbischen, studierte Diakonie und Religionspädagogik und arbeitete zehn Jahre als Diakonin in der kirchlichen Sozialarbeit

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