Teodora Kostyal, 29.05.2020
Auch ich kann das Wort „Coronakrise“ nicht mehr hören. Schon lange nicht mehr.
Soeben aus der Schockstarre aufgetaut, blättere
ich gedanklich in Geschichtsbüchern:
So viele Krisen.
So viel „Danach".
So viele Neuanfänge.
Und doch – obwohl anders – fast alles gleich
wie vorher, „in den Zeiten danach".
Sieht nach ewigem Sitzenbleiben in der Schule
aus. Oder nach hängen gebliebenen Platten.
Ist die Welt nach einer Krise je besser geworden?
Sind die winzigen Inseln des Friedens, der
Gerechtigkeit, des Mitgefühls und der Toleranz – während einer Bedrohung
vorübergehend durch Leuchttürme der Solidarität und des Mitgefühls flüchtig erhellt-
jemals dauerhaft besiedelt worden, gewachsen oder auch nur in Sichtweite
geblieben?
Wurden sie nicht immer wieder eliminiert? Aus
den Augen verloren? Oder waren sie nicht im Meer der Ungerechtigkeiten
versunken, dessen Wellen von Macht - und Geldgier, Neid, Grössenwahn und Wachstumsbesessenheit
schäumten?
Folglich Gewalt, Krieg, Verfolgung und
Missbrauch ans Land spülten? Dort Fremdbestimmung, Rassismus, Intoleranz und
Diskriminierung abgelagert, Verwüstung, Armut, Hunger und Leid zurückgelassen
haben?
Wie umfassend tief und lebensbedrohlich müsste
eine Krise sein, um die trüb stürmenden Wellen zu besänftigen, klar und tragend
werden zu lassen, damit sie vom Land Vertriebene und vom Ertrinken Bedrohte zu
den Inseln tragen könnten?
So dass im Boden des Vertrauens die Lernfähigkeit
Wurzel schlagen und von Liebe und Solidarität gestützt gedeihen würde?
Ich bin gespannt auf die nächsten, heute noch
unbeschriebenen Seiten in den Geschichtsbüchern.