Dritte Variante:

Dora K.Berecz, 28.06.2019

Dora K.Berecz
Dora K.Berecz

Trennung, Abweisung, Unfall, Trauma, Todesfall, eine verheerende Diagnose einerseits. Mit anderen Worten Schicksalsschläge, die einen aus der Bahn werfen.

Andererseits eine alles verändernde Begegnung, das Entstehen eines neuen Lebens (Kind), Erfolg, auf welcher Ebene auch immer, usw. Glückliche Wendungen also.

Weniger spektakulär und meistens ohne Dramatik gestaltet sich eine dritte Variante.

In ihrem Werden durchaus vergleichbar mit einer Schwangerschaft, allerdings ohne den Anfang realisieren und die Entwicklung bewusst mitverfolgen zu können. Wie wenn das neue Leben zwar aus unserem Inneren kommend, aber plötzlich und unerwartet vor uns in unseren Händen liegen würde.

* Ein vor langer Zeit auf fruchtbaren Boden gefallener Samen keimt aus oder gewisse schlafende Anlagen, die – dem Samen gleich – nach geheimen Zeitplan aufwachen, sich aus ihrem Kokon befreien und entfalten. So stehen wir eines Morgens in unserem Seelengarten vor neuen Blumen, die uns mit ihrem Duft betören und durch ihren Farben verzaubern können.

* Plötzlich werden wir wie durch Federn mit einer nie geglaubten Leichtigkeit über weiten Feldern getragen.

* Aus heiserer Kehle, durch eine bis jetzt unbekannte Quelle gespeist, erklingt eine klare und laute Stimme: Wir sind nicht mehr sprachlos.

* Aus unseren Fingern, verlängert durch Schreibfedern, Bleistift oder Pinsel, fliesst lange Zurückgehaltenes, streng und ängstlich Behütetes, was uns befreit und erlöst.

Die jahrzehntelang geschlossenen Schleusen öffnen sich und lassen nach dem anfänglich rostigen und abgestandenen Wasser frisches, sauberes und nährendes nachfliessen.

Wir sind die Betrachter am Ufer und das Fliessen in einem.

* Plötzlich wird`s möglich, um jemandem zu vergeben. Ohne Vorbereitung und ohne es mit dem Verstand zu wollen. Es geschieht uns einfach. Wir sind nicht mehr verbittert, eine tonnenschwere Last fällt herunter. Vielleicht versteht die andere Person die Welt nicht mehr, ihre Wände der Wirklichkeit fangen an zu wackeln. Oft ist eine erneute Umarmung nicht möglich, weil die Gefahr, dass die Mauer einstürzt und sie begräbt, zu gross ist.

Das Überraschende in der dritten Variante zeigt sich in der Synthese.

Wie sich die Kräfte integrieren, sie ineinander verschmelzen und neues Leben hervorbringen können.

Wie aus der Sichtbarkeit der Ereignisse das unsichtbar Fühlbare entsteht und wiederum zur neuen Sichtbarkeit führt.

Dieses, die Wendung, ist häufig etwas anderes als die erhoffte, vorgestellte oder gewünschte. Indem wir sie bestaunen, annehmen und sogar Dankbarkeit empfinden, kann sie erst richtig Gestalt annehmen und ein Gesicht bekommen.

Haben wir diese Konturen nicht vielleicht schon einmal, vor langer Zeit im Spiegel gesehen?

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