Béatrice Stössel, 03.05.2021
Interview mit Jürg Hess, Landwirt in Roggwil/TG
und Verbandspräsident des Schweizerischen Obstverbandes.
Am
13. Juni stimmen wir über die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative ab. Ich wollte mehr darüber wissen
und was lag näher, als mich direkt an der Quelle zu informieren.
Jürg, weshalb wehren sich die Landwirte
mit 2 x Nein so vehement gegen die Trinkwasser- und die Pestizidverbotsinitiative?
Weil
diese ausschliesslich auf die Direktzahlungen ausgerichtet sind und massiv am
Ziel vorbeischiessen. Diese Vorschriften würden alle Bauernbetriebe enorm
einschränken. Insbesondere jedoch die Bereiche Geflügelfleisch und die Produktion
der CH-Eier, welche sehr beliebt sind, sowie die Schweine -Obst – und Gemüsebauern wären betroffen.
Was wären die Folgen bei einer Annahme
der Initiativen?
Viele
kleinere Produzenten müssten aufgeben, weil sie nicht die, von der Initiative
geforderten Eigenfuttermittel produzieren können. Ergo gäbe es weniger und
somit viel teurere in der Schweiz produzierte Lebensmittel in diesen Bereichen.
Das würde bedeuten, dass die Schweiz
mehr Lebensmittel importieren müsste?
Genau!
Aber auf die Art und Weise wie die ausländischen Produktionen laufen haben wir
keinerlei Einfluss. Wir verschieben so das Problem einfach ins Ausland und
ruinieren die eigene Landwirtschaft.
Das heisst es wären Arbeitsplätze in der
Schweiz betroffen mit welchen Auswirkungen?
Wir
sprechen von rund 160'000 Arbeitsplätzen die verloren gingen. Es wäre nicht nur
in die Land- und Ernährungswirtschaft betroffen, sondern auch Käsereien,
Metzger, Mühlen, und Mostereien.
Wie läuft das aktuell mit den
Pestiziden?
Das
Bundesgesetz über die Verminderung der Risiken durch den Einsatz von Pestiziden
verlangt per Gesetz, die Risikoreduktion im Einsatz der Pestizide bis 2027 um
50% zu senken. Wir sind hier seit Jahren auf gutem Weg. Aktuell wurde der
Einsatz der Pflanzenschutzmittel um 40%, bei Herbiziden sogar 45 % gesenkt. Und
den Rest schaffen wir auch noch.
Ein Dauerbrenner ist das Antibiotika,
welches die Tiere bekommen. Wie sieht das tatsächlich aus?
Wir
haben 42 Milchkühe im Stall. Antibiotika ist weder bei uns kein Thema, noch bei
vielen meiner Kollegen. Wenn es doch einmal nötig sein sollte, verordnet der
Tierarzt Antibiotika und dieses wird nur ganz
gezielt eingesetzt.
Kannst du mir Beispiele geben bezüglich
der Wasserverschmutzung von der Landwirtschaft versus andere Quellen?
Messungen
im Wasser des Rheins bei Weil am Rhein von 2019 ergaben, dass Arzneimittel, Röntgenkontrastmittel,
Korrosionsschutz – wie auch Desinfektionsmittel in viel grösserer Menge
nachgewiesen wurden. Die Pestizide schlugen nur gerade mit 1% zu Buche.
Das ist eindrücklich. Wie geht es
weiter?
Wir
Landwirte müssen weit über den Nasenspitz vorausdenken und das tun wir. Egal ob
Biobauer oder konventioneller Produzent. Im übrigen haben sogar die Biobauern
die NEIN-Parole herausgegeben, weil auch sie von dieser Initiative sehr hart
getroffen würden. Die junge Generation Landwirte steht in den Startlöchern,
auch bei uns. Und sie sind besonders kritisch. Gerade deshalb müssen wir jetzt
sinnvolle Massnahmen für die Zukunft treffen, die für uns alle – Produzent oder
Konsument - von Nutzen sind. Diese beiden Initiativen schiessen eindeutig am
Ziel vorbei. Deshalb plädieren wir für 2 x NEIN.
Danke Jürg für das Gespräch.
Das Interview führte Béatrice Stössel