Erste Kaltfronten

Maya Onken, 28.11.2019

Maya Onken
Maya Onken

Der Winter naht. Er schreitet bereits mit zügigem Schritt auf uns zu. Erste Kaltfronten erreichen uns. Zarte Schneeflocken kündigen sein Kommen an.

Es ist die Zeit, in welcher die Natur sich zurückzieht. Wachstumsenergien werden gestoppt und ins Wurzelreich umgeleitet. Knospendünger wird gebraut, im Inneren der Natur, während im Draussen nur dürre Zweige und fallende Blätter sichtbar sind.

Es ist die Zeit für eine Innenschau. Den Blick auf die eigenen Energien richten, den nächsten Wachstumsschub vorbereiten, die natürliche Pause im Gedeihen und Blühen nutzen, um optimale Bedingungen für die nächste Runde zu schaffen.

Bei meiner aktuellen Überprüfung frage ich mich, wo die Schwelle von einer positiven Stärke, einer Charaktereigenschaft, einem persönlichen Muster liegt zu dem Teil, wo es beginnt, unheimlich zu werden. Meine erste Antwort ist, dass wir alle mal kippen, von dem Ausgewogenen ins Übermass. Vom Ausbalanciertem ins Einseitige. Vom Energiespendenden ins Ungesunde. Vom Hilfreichen ins Beschwerliche. Die wichtige Frage ist dabei nur: merken wir es auch?

So bin ich zum Beispiel ein Mensch, der gerne viel und intensiv erlebt. Ich unterrichte an meiner Schule, rausche alsdann nach Zürich, gebe dort eine Tanzlektion, treffe danach eine Freundin und gehe mit ihr tanzen. Auf dem Heimweg erledige ich noch einige geschäftliche Sprachnachrichten. Dann stehe ich am Folgetag früh auf, schreibe mir während dem Frühstück die Liste für den kommenden Tag und los geht's. Das mag ja auf den ersten Blick noch ganz okay sein, doch einige in meinem Umfeld schütteln hier bereits den Kopf. «Das ist zu viel, du überlädst dich, denke an deine Energien». Dann lächle ich freundlich und winke ab - «Alles im Griff, das tut mir alles gut und gibt mir Power.» Doch wenn man fünf solche Tage aneinanderreiht, und wenn dann noch etwas Unvorhergesehenes in der Familie passiert, wenn man plötzlich noch eine Aufgabe oder eine Schicht von anderen zu übernehmen hat, wenn man sich eine Schulter anknackt oder ein Schnupfen schwächt, dann beschleunigt sich das System, welches bereits auf der äussersten Temporille rauscht.

Hier kippt das System ins Ungesunde. Die fleissige Biene, die gerne fliegt und Honig nascht wird ein Colibri mit 200 Herzschlägen in der Minute. Die Person gerät unter Druck. Von einem gut überlegten Entscheider wird ein misstrauischer Neinsager, welcher andere überprüft und ganze Prozesse stoppt vor lauter Sicherheitschecks.

Die Menschen in meinem Umfeld merken diese Veränderungen. Sie können Unterschiede des Verhaltens oder der Entwicklung benennen. Wir selbst sind oft mit verbundenen Augen und Scheuklappen unterwegs. Weil es unser Muster ist, das wir täglich leben, bemerken wir die Veränderungen kaum.

Und das habe ich gelernt: Sei dein Boss und nimm dich immer wieder mal selbst zur Brust. Was treibst du gerade? Wenn du ein akutes Problem hast, dann frag dich bitte: Was trägst du zu diesem Problem bei? Sei liebenswert kritisch mit dir selbst. Frag dich: Hat sich dein Muster verändert und verstärkt? Machst du von gewissen Dingen mehr als üblich, so dass es eventuell bereits ungesunde Formen angenommen hat? Warte nicht darauf, dass das Leben diese Korrektur ins gesunde Mass vornehmen muss. Warte nicht darauf, dass dir beim Tanzen einer - ungewollt - einen Fausthieb verpasst, so dass dir der Arzt eine Woche Ruhepause verschreibt. Fordere das Leben nicht so heraus, dass sich liebenswerte Menschen von dir abkehren, weil sie dein Misstrauen nicht mehr aushalten oder dass jemand deine Hilfsbereitschaft so ausnutzt.

Sei dein Boss und behalte dich im Blick, denn du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben! Nutze die Winterzeit, um Innenschau zu halten, um auch die Teile zu entdecken, die wir wieder ins Gleichgewicht bringen sollten. Damit wir für das Neue gewappnet sind - aufgeräumt, heiter und ausbalanciert.

Und dann kann Weihnachten werden.

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