Julia Onken, 05.11.2016
Die vielen abgeschobenen und verdrängten Impulse
aber lösen sich dort nicht einfach auf, sondern gären stetig vor sich hin.
Einige verwandeln dann den angestauten Frust ins Gegenteil – und verschaffen
sich mit der Maskerade der Toleranz etwas Erleichterung.
Betritt nun einer wie Donald
Trump die
Bühne und lässt sämtliche nur denkbaren Unflätigkeiten von der Leine, geraten
all unsere Bewertungssysteme durcheinander. Mit losem Mundwerk zieht er vom
Leder, nichts ist ihm heilig, weder Hinterbliebene von Kriegsopfern, noch
Sterbenskranke, noch Frauen (s. Seite 4). Er pöbelt, greift an, rüpelt derart,
dass überzeugte Vertreter höflicher Umgangsformen Schnappatmung bekommen. Trotzdem
sind manche von solchen Polteris fasziniert. Endlich jemand, der all das in die
Welt hinaus brüllt, was wir uns selbst verbieten. Endlich einer, der mit der
Faust auf den Tisch haut, statt sie heimlich im Sack zu machen.
Viele
indessen rümpfen die Nase und verurteilen derartiges Verhalten – auch aus
Groll, weil da einer unsere selbst auferlegte Zensur aushebelt. Was sich nicht
gehört, gehört sich eben nicht.