Federn lassen

Béatrice Stössel, 26.02.2019

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

Susanne bestellt mich in die Kronenhalle. Das Restaurant in Zürich, wo Originale von Chagall, Mirò, Braque und Matisse die Wände zieren und sich A-/B- und die Cervelat-Prominenz die Türklinke in die Hand drücken. Alles dort ist exklusiv. Auch die Preise! So ich mich hinein wage, liegt höchstens eine St. Galler Bratwurst mit Rösti auf meinem Teller. Das kann ich mir gerade noch leisten. Alles andere wäre für meinen Geldbeutel eine zu grosse Strapaze. Also stürze ich mich in mein bestes Kostüm und erscheine pünktlich vor Ort. Susanne ist wie immer verspätet. Nach Ablauf des akademischen Viertels rauscht sie an den Tisch, verteilt die obligaten drei Küsschen und lässt sich vom herbeigeeilten Kellner den Stuhl unterschieben. Gleichzeitig ordert sie „deux coupes de Champagne“.

„Wie wunderbar, dass du es einrichten konntest. Du bist mein Gast und ich freue mich sehr, dir als Erste mitzuteilen, dass ich meinen Traummann gefunden habe. Er ist so süß, so fantastisch, so intelligent!“

Die Liste der guten Eigenschaften ihrer neuesten Errungenschaft nimmt kein Ende.  „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“, schoss es mir durch den Kopf. Sie ist also wieder einmal verliebt. Dieses Mal war es ein amerikanischer Geschäftsmann aus Texas.

„Und ich sage dir, er sieht Georg Clooney so ähnlich, man könnte ihn glatt für seinen Zwillingsbruder halten. Er ist wahnsinnig großzügig und überhäuft mich mit Geschenken.“

Erst jetzt bemerke ich, wie sie laufend ihre Hand ins Spiel bringt. Ein Diamant in stattlicher Größe schmückt ihren Ringfinger.

„Ist der auch von deinem Texaner“, werfe ich ein.

„Klar doch, die passenden Ohrringe werden noch folgen.“

Ich genehmige mir einen zünftigen Schluck Champagner und bewundere den Klunker mit Respekt. Wie Susanne das immer wieder schafft? Ihr letzter Ehemann, der sie nach nur drei Jahren glücklicher Ehe für immer verließ, hinterließ sie als reiche Frau.  Seither verkehrt sie in den exklusivsten Kreisen und jettet zwischen Zürich, Cannes und St. Moritz hin und her. Der Kellner fragt nach unseren Wünschen.

„Wir nehmen die Blinis au saumon fumé und anschliessend das Chateaubriand, sauce Béarnaise und Rösti. Dazu eine Flasche Château Lynch-Bages“, ordert sie ohne mit einer Wimper zu zucken.

Mir bleibt die Spucke weg und gleichzeitig läuft mir das Wasser im Mund zusammen. „Sehr wohl. Und das Fleisch saignant?“

„Natürlich, wie immer“, erwidert sie und blinzelt dem Herrn Ober verschwörerisch zu.

Nun ging es los mit Susannes Anliegen:

„Wir feiern Hochzeit, du wirst meine Trauzeugin, natürlich in Texas und im ganz grossen Stil. Vorheriges Einkleiden in Paris ... !“

Susanne klatschte mir ihre Wünsche nur so um die Ohren. Mir wurde, trotz des feinen Essens und delikaten Weins, flau im Magen. Ich überschlug, was das alles kosten wird und formulierte im Geist eine plausible Absage. Das war mir definitiv zu viel. „Natürlich übernehme ich deine Reisekosten und die Garderobe. Du musst mir dafür von meiner einzigartigen Liebe und dem Fest eine schöne Geschichte schreiben. Das machst du doch, nicht wahr?“, bettelte sie.

„Klar doch, sehr gerne. Obwohl, mir ist nicht ganz wohl dabei. Die Reise, Aufenthalt und Garderobe, liebe Susanne, das kann ich nicht alles annehmen.“

Der Redeschwall der jetzt folgte, toppte alles bisher Dagewesene. Und ich war von meiner Freundin aus Kindertagen Einiges gewohnt. Widerstand war zwecklos. So trug ich die Daten in meine Agenda ein und versprach ihr, sie sicher in den Hafen der Ehe zu begleiten.

Die Zeit raste. Susannes Hochzeit rückte näher. Immer wieder rief sie an, erzählte und schwärmte von ihrem Liebsten. Ich besorgte einen neuen Pass und alles was es sonst noch brauchte für die Reise. Ein bisschen neidisch war ich, gestand ich mir ein. Aber Susanne war schon immer ein Sonntagskind gewesen.

Am Abend vor unserer Abreise klingelte es an meiner Haustüre. Ich öffnete. Susanne stand vor mir, kreidebleich, mit zerzaustem Haar und verschmiertem Make up. Alles andere als eine glückliche Braut. Sie schluchzte erbärmlich.

„Was ist denn los um Himmels willen?“

„Dieser Schuft, dieser Dieb, ich bring ihn um!“

„Wen willst du umbringen?“

„Ihn, diesen schmierigen Typen aus Texas!“

„Komm, setz’ dich und erzähle schön der Reihe nach“, schlug ich vor und startete gleichzeitig die Kaffeemaschine. Als Freundin wusste ich, in solchen Momenten brauchte Susanne einen Cappuccino mit viel Milchschaum. Als ich ihr den Krug reichte, verstummte das Schluchzen. Gierig trank sie den Kaffee und hielt mir die Tasse gleich nochmal hin. Die Beichte begann: Der ach so großartige, wohlhabende Texaner hatte immer wieder Geld gebraucht für seine Rinderzucht. Natürlich nur vorübergehend, kleiner finanzieller Engpass, wie er versicherte. Susannes Treuhänder äußerte seit einiger Zeit seine Bedenken und hatte recherchiert. Heute konfrontierte er sie mit den nackten Tatsachen. Ihr Süßer, der fantastische Liebhaber, der großzügigste Mensch der ihr je begegnet war, entpuppte sich als international gesuchter Heiratsschwindler.

„Und weißt du was? Der Ring ... „

„Was ist mit dem Ring?“

„Das ist ein CVD Diamant, künstlich im Labor gereift. Eine echte Kopie!“, warf sie mir an den Kopf. „Alles Schwindel!“

„Um wie viel hat er dich erleichtert?“

„Das Schlimmste konnte mein Max verhindern“, gab sie kleinlaut zu.  „Ich bin mit einem hellblauen Auge davon gekommen.“

„Max?“

„Mein Treuhänder. Er ist eine echte Perle. Ein Gentleman der alten Schule. Du lernst ihn morgen beim Essen in der Kronenhalle kennen. Wir heiraten nämlich, aber nur im ganz kleinen Rahmen. Du wirst doch meine Trauzeugin, nicht wahr?“

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