Finger im pechschwarzen Haar

Béatrice Stössel, 27.05.2021

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

NEIN, NEIN und nochmals NEIN! Was hat sich die Redaktion bei dieser Themenvorgabe gedacht: Über das Glück oder die Qual des Seitensprungs!

Ich erwähnte bereits, dass nichts aber auch gar nichts über mein Liebesleben öffentlich wird. Es reicht, in der GALA nachzulesen, was die Fremdgänger, Blindgänger und Draufgänger, die Stars und Möchtegern-Sternchen, ja sogar gekrönte Häupter preisgeben, was sie in fremden Betten treiben, und wer sich mit wem gerade wieder neu verlustiert. Und in deren Fussstapfen soll ich treten? Ganz bestimmt nicht. Ich streike und schreibe nichts!

Also mal rein hypothetisch - hätte ich in meinen dreiunddreissig Ehejahren wirklich da oder dort unter dem Zaun durchgefressen, wäre ich doch saublöd, dies zwanzig Jahre nach der Scheidung zuzugeben. Allerdings, je länger ich nachdenke, desto mehr lichten sich die Nebel. Es bahnt sich eine Erinnerung ihren Weg aus der Versenkung. War da irgendwann nicht doch mal was? Verdränge ich etwa gewisse Tatsachen? Dieses Geheimnis eines ganz speziellen Sommers?

In unserer „Clique“ nannten wir ihn GOA. Wieso er diesen exotischen Namen von uns bekam? Ich weiss es nicht mehr. Er war ein Beau! Gross, muskulös, enorm sportlich und verfügte über eine sehr gute Ausbildung. Er wurde mein Partner. Sport gehörte zum Alltag und so joggten wir durch die Wälder. Erlebten gemeinsam, wie der Tag erwacht, lauschten dem Gezwitscher der Vögel auf unseren gemeinsamen Streifzügen durch die Natur. Auch ernsthafte Diskussionen waren an der Tagesordnung. Manchmal gab es sogar einen handfesten Streit, denn wir waren keinesfalls immer derselben Meinung. Wir kämpften ab und an mit ziemlich harten Bandagen um die Führung in unserer Beziehung. Doch meistens harmonierten wir grossartig. Das Zusammensein mit ihm war, mit wenigen Ausnahmen, pure Lust. Ich liebte ihn sehr.

In diesem besagten Sommer flog ich nach Spanien, genauer nach Andalusien, und zwar allein. GOA blieb lieber in der gewohnten Umgebung und liess mich wortlos ziehen. Nun gut, trotzte ich, wenn er nicht will, amüsiere ich mich eben ohne ihn. Es kam wie es kommen musste. Die Costa de la Luz, das einmalige Licht, die Wellen des Atlantiks, der unendlich lange Sandstrand, die Pinienwälder, der Duft des Südens erfüllten meine Seele. Mitten in diesem Paradies begegnete ich ihm. Diesem Spanier, in dessen grossen dunklen Augen ich mich verlor. In seinem pechschwarzen Haar verfingen sich meine Finger, während er die Muskeln tanzen liess. Sein Arsch war derart sexy, dass ich einfach nicht wegschauen konnte. Als seine Lippen mich berührten, war es um mich geschehen. Ich war hin und weg. GOA verschwand gänzlich aus meinen Gedanken. Ich genoss dieses Feuer, die heissblütige Art meines Ferienflirts. Keine Sekunde wollte ich mehr ohne ihn sein. Aber auch der schönste Urlaub geht irgendwann zu Ende! Den Rückflug trat ich schweren Herzens an. Als die Maschine in Kloten landete, regnete es in Strömen. Es passte zu meiner trüben Stimmung, schürte die Sehnsucht nach meiner Sommerliebe.

Doch wie würde GOA auf mich reagieren, wenn wir uns wiedersehen? Er war sehr feinfühlig und ich mir sicher, dass er meine Seelenlage, mein Fremdgehen ganz schnell spüren würde. Wie sollte es weitergehen? Wie könnte unsere gemeinsame Zukunft aussehen? Fragen über Fragen, die sich in meinem Hirn überschlugen, die im Raum standen und die unweigerlich der Klärung bedurften. Aber wie?

GOA reagierte heftig, denn er bemerkte meine Veränderung sofort. Er stellte mich auf die Probe, forderte mich heraus bei unseren sportlichen Aktivitäten. Auf einer Joggingrunde verletzte er sich so sehr, dass eine Auszeit unumgänglich war. Er reiste zur Kur nach Deutschland und eines Tages kriegte ich eine kurze Mitteilung: „Ich komme nicht mehr zurück!“ Diesen Schock galt es zu verdauen. Ich trauerte um diese Beziehung.

Auf der anderen Seite flogen meine Gedanken nun immer öfter nach Andalusien. Irgendwie verständlich, oder? Was soll ich lange um den heissen Brei reden. Meine Sehnsucht nach dem Spanier liess sich nicht stillen. Ich reiste zurück an die Costa de la Luz und verbrachte eine wunderbare Zeit mit ihm. Stundenlange Spaziergänge entlang des Meeres oder durch schattige Pinienwälder. Vollmondnächte am Strand. Doch Treue war nicht sein Ding. Auch andere erlebten ihre Freuden mit ihm. Er gehörte mir nicht. Ich musste ihn teilen, diesen wunderbaren Hengst, diesen PRE - Pura Raza Española.

Die Leidenschaft für diese Pferderasse jedoch war geweckt. So kam es, dass meine Tochter und ich, auf die Suche gingen nach einem eigenen Pferd. Es musste ein Iberer sein. Darin waren wir uns einig. Einen PRE oder Lusitano wollten wir, daran führte kein Weg vorbei. Wir fanden INDIO, der uns dreizehn Jahre lang begleitete, und uns unzählig schöne Momente in der Natur bescherte. Er trug uns durch Höhen und Tiefen im Leben und ER war stets treu.

So gesehen wurde mein „reiterlicher Seitensprung“, weg von GOA hin zu INDIO, dem edelsten Pferd, das ich je unter dem Sattel hatte, eine wunderschöne Epoche in meinem Leben. Nicht ohne Grund heisst es:

DAS GLÜCK DER ERDE, LIEGT AUF DEM RÜCKEN DER PFERDE

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