Gedanken zum Muttersein

15.05.2017

Während draussen, prall gefüllte Rosenknospen auf ihren grossen Auftritt warten, erwarte auch ich den Mai. Mein Kopf ist gefüllt, zum Schreiben gefüllt. Nicht mit frischem, frühlingshaftem Lebenssaft, sondern mit unzähligen, oft gedachten Maigedanken. Gedanken, die pünktlich Jahr für Jahr im Triumphzug um die Welt ziehen und sich in Köpfen und Herzen unendlich vieler Mütter einnisten. Sie kommen durch ein Hintertürchen, setzen sich und bleiben. Muttertags – Gedanken. Gehören sie, geschätzte Mitleserin zu den Frauen die diesen Tag herbeisehnen, oder spüren sie den leichten Druck, den gewisse, zagende Gedanken im Herzen hinterlassen? Vielleicht gehören sie zu denen, die ohne jegliche Gefühlsregung dem Muttertag entgegengehen, auch die gibt es. Ich gehöre nicht dazu. Ich mache mir Gedanken, immer wieder ertappe ich mich dabei. Wie werde ich dieses Jahr den Muttertag durchleben? Werden sie vorbeikommen, einzeln oder gemeinsam? Wird es ihnen vielleicht wie mir gehen, als ich in jungen Jahren versuchte allen an diesem Tag gerecht zu werden, was bedeutete die Mutter, Stiefmutter und Schwiegermutter auf irgendeine Weise zu beglücken. Meist glich der Tag mehr einem akrobatischen Seiltanz als einem Freudenfest. Ich weiss wohl, woher bei mir dieses „Liebe zeigen“, genannt Pflichtgefühl herrührte, und eigentlich ist es eine gute, schöne Erinnerung. Es wurde mir, als ich ein kleines Mädchen war, ins Herz gepflanzt. Jedes Jahr im Mai, bekam ich von meinem Vater 10 Franken und er schickte mich los, um im kleinen Dorflädeli ein Geschenk für Mutti zu erstehen. Das war eine grosse, schwierige Sache! Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, endete sie jahrelang so, dass ich am Muttertag stolz eine neue, kleine Vase mit Margrittli füllte und als grossartiges Geschenk übergeben konnte.

Diese Erfahrung fehlt meinem Mann und somit auch unseren Kindern. An grauen Tagen finde ich dies ab und zu bedauerlich, und heute ist es nicht nur grau, heute regnet es.

Bevor meine Gedanken sich dem Wetter anpassen und ins Hamsterrad treten, tauchen wie wärmende Sonnenstrahlen Erinnerungen auf. Da ist das spannende Mitternachtsgespräch mit Simeon, der kurze, wohltuende Blitzbesuch von Naemi, auch das Feriengeld das unerwartet und geheimnisvoll in meinem Schreibheft lag usw. und während ich den Länggasstee geniesse, mit dem mich Raphaela kürzlich überraschte, entscheide ich mich, mich vom Muttertag abzuwenden um mir die wertvollen Zeichen der Liebe im Alltag aufzuschreiben, sie achtsam wahrzunehmen, zu geniessen und tief im Herzen zu bewahren.

In diesem Sinn wünsche ich allen einen schönen Sonntag

Irene Häfeli - Meyer



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