Genügsamkeit – altmodisch oder trendy?

Meta Zweifel, 28.11.2019

Meta Zweifel
Meta Zweifel

Nicht nur Mütter beschäftigen sich mit der Weihnachtsplanung und rennen nach Geschenken. Neulich kam ich mit einem Senior ins Gespräch. Bis zur Pensionierung war er in leitender Stellung als Ingenieur tätig gewesen. Heute  gehört er zu jenen älteren Menschen, die nicht meinen, mit 70 hätten sich Gehirnaktivität und Lebensenergie definitiv in den Wellness-Ruhestand zu begeben: Er setzt sich für Öffentlichkeitsarbeit ein und nutzt sein beachtliches musikalisches Talent  regelmässig einmal im Monat als Barpianist – zur Freude von Bewohnerinnen und Bewohnern eines Altersheims und Zuzüger - Gästen, die es geniessen, an einem Drink zu nippe und sich bei wohltuenden Pianoklängen zu entspannen.

Der Senior, nennen wir ihn Sebastian, ist überdies ein liebevoller und engagierter Grossvater. << Meine Frau und ich haben uns überlegt, was wir unseren Enkeltöchtern zu Weihnacht schenken könnten. Die eine ist 12, die andere 16 Jahre alt, beide sind also in der Pubertät, wenn auch in unterschiedlichen Phasen. Wir möchten den Mädchen eine Freude machen, ihnen ein Zeichen der Zuwendung geben. Aber gemeinsam sind wir zur Überzeugung gelangt, als Grosseltern müssten wir unsere Liebe nicht mit einem Riesengeschenk zur Geltung bringen. Es ist die Liebe, die zählt – nicht protzige Geschenke. >> Sebastian wollte dieser Weihnachtsgeschenke wegen vorsichtshalber noch mit seiner Tochter  ins Gespräch kommen – man hatte an zwei kuschelweiche Shawls gedacht, an jene meterlangen Gebilde, mit denen sich junge Mädchen so frostsicher zu umhüllen pflegen, als seien sie seltene, kostbare tropische Pflanzen.  Die Reaktion der Tochter? << Ach so, Shawls. Aber  was haben Du und Mama als Hauptgeschenkt vorgesehen? >>  Sebastian schluckt immer noch leer, wenn er erzählt, wie er sich förmlich aus der Zeit gefallen gefühlt habe. << Aber ich bin ruhig geblieben. Und habe mitgeteilt, dass die beiden Shawls unser einziges Geschenk sein würden. >>

Man kennt bezaubernde Geschichten von alten Menschen, in denen erzählt wird, wie beseligt sie als Kind waren, wenn die Puppe zu Weihnacht ein neues Kleidchen bekam oder das hölzerne Trottinett wieder fahrtüchtig gemacht und neu lackiert worden war.. Oder wie glücklich man sich fühlte, wenn man am Sonntagsschul – << Weihnachts-Festli >> einen Teller mit einem bunten Bild geschenkt bekam. Diese Zeiten und derartige Gefühle: Sie sind längst Vergangenheit.  Mit wenig zufrieden sein, sich über eine Kleinigkeit freuen – das war einmal. Aber welche Überraschung! Da spricht eines Sonntagmorgens in einer Philosophie-Diskussion ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler mit Namen Niko Paech doch tatsächlich von der << Kultur der Genügsamkeit. >>  Und  zwar geht es nicht um Verzichtideologie und Lustfeindlichkeit, sondern primär um ökologische Zusammenhänge. Paech meint: Wenn wir ständig immer mehr meinen haben zu müssen und wenn wir weiterhin ungezügelt konsumieren, verbrauchen wir besinnungslos Ressourcen und schaden der Umwelt.  Ein faszinierender Gedanke, ein neuer Blickwinkel. Genügsamer werden. Weniger Sinnloses anhäufen. Lebensqualität neu definieren. Mehr sein als scheinen wollen.

Ob Opa Sebastian und seine Frau der Tochter und den Enkeltöchtern vermitteln können, dass Liebe und Verlässlichkeit nicht mit einem teuren Geschenk dokumentiert werden muss? Eine Chance hätte Sebastian wohl am ehesten, wenn die Mädchen bei  << Friday for Future >> - Demonstrationen mitmachen oder Greta Thunberg-Fans sind. Dann könnte er die beiden Girls beim Wort nehmen und  ihnen  von der Kultur der Genügsamkeit und den ökologisch positiven Folgen dieser Lebenshaltung  erzählen. Mal sehen, wie die Geschichte weitergeht.....

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