Ich spukte in die Hände, legte die Finger auf die Tasten und tippte wild drauflos.

Béatrice Stössel , 03.04.2024

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

Ein Blog zum Thema: Macht Älterwerden Spass? Das krieg ich hin, damit kenne ich mich aus, feierte ich doch erst kürzlich einen fast runden Geburtstag. Ich spukte in die Hände, legte die Finger auf die Tasten und tippte wild drauflos. Läuft, frohlockte ich, doch als ich das Getippte las, kamen Zweifel auf. So toll war der Text nicht. Also nochmal von vorn. Die Sätze in eine andere Reihenfolge bringen, ist oft nützlich um den Stil zu verbessern. An diesem Tag allerdings entwickelte sich jede Korrektur zu einer noch grösseren Katastrophe. Mein innerer Zensor feixte: «Ich hab’s dir ja geflüstert, das geht nicht so schnell wie du immer glaubst.»

«Sei still», knurrte ich zurück und tippte weiter, doch der Schreibfluss war unterbrochen. «So ein Mist», schimpfte ich. Und je länger ich versuchte eine gute Geschichte zu schreiben, desto unmöglicher wurde es. Meine Denkmaschine lief auf Hochtouren und so langsam kristallisierten sich mindestens die Stichworte heraus, die da lauteten:

Alter / Spass / Stress / Ruhe / Old Lady / Gesundheit / Kranksein / Pensionsalter / Lust / Ärger ... Damit lässt sich was anfangen grinste ich, als mein Blick auf meine To-do-Liste fiel. *KI* (Künstliche Intelligenz) testen, war zu lesen. Ja, das ist es, ich lasse Chat GPT einen Text mit diesen Worten schreiben.

Kaum hatte ich die Stichworte getippt, schon spukte die *KI* einen Blog aus. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie die Buchstaben über den Bildschirm flatterten. Zu lesen war:

Im Alter sehnt man sich oft nach Ruhe und Entspannung, nach all den Jahren des Stresses und der Hektik. Eine alte Dame, die ihr Pensionsalter erreicht hat, geniesst es, endlich Zeit für sich selbst zu haben. Sie weiss, wie wichtig es ist, auf ihre Gesundheit zu achten, nachdem sie schon einige Male krank gewesen ist. Trotzdem lässt sie sich nicht unterkriegen und findet immer wieder Freude und Lust am Leben.

Manchmal kann es jedoch auch Ärger geben, sei es durch gesundheitliche Probleme oder einfach durch die Tücken des Alters. Doch insgesamt betrachtet, ist es wichtig, auch im Alter den Spass nicht zu verlieren .... bla, bla, bla!

Diese „Geschichte“ ist mir in Sekundenschnelle um die Ohren geflogen, doch Gefallen finde ich keinen daran. Ich muss, nein ich will selber etwas schreiben. Meine sehr persönlichen Gedanken zum Älterwerden zu Papier bringen.

Ich bin schon länger pensioniert. Die AHV schickt mir regelmässig meine Rente, ohne, dass ich mir Sorgen machen muss. Ab 2026 gibt’s sogar eine Gratifikation! Dä Drittzähti, wenn auch noch nicht ganz klar ist, woher das Geld dafür kommt. Aber lassen wir das beiseite. Es geht doch um Spass und den Genuss der mir als Seniorin zusteht? Oder etwa nicht?

Habe ich Spass? Ja, ganz sicher. Ich geniesse meine Freiheiten, welche mir das Alter schenkt. Meine Lieblingsfreiheit heisst: Ich muss nicht mehr!

Ich muss nicht mehr auf alle und alles Rücksichtnehmen. Ich darf es mir gut gehen lassen. Ich kann tun und lassen was ich will – also wenigstens fast. Jeden Morgen nach dem Erwachen denke ich: Du kannst liegen bleiben. Doch meistens hüpfe ich erst ins Bad, wasche mir den Schlaf aus den Augen, hüpfe weiter in die Küche, lasse frisch gebrauten Kaffee in meine Lieblingstasse fließen und kehre husch, husch, ins warme Bett zurück. Rückenlehne hoch, Brille auf die Nase und beginne zu lesen. Ich freue mich schon auf den Sommer, statt des Kuschelbetts, wechsle ich auf den Balkon, und lausche dem Vogelkonzert, während ich den Kaffee reinziehe. Anschliessend treibe ich Sport, ziehe meine Bahnen im Freibad. Ich möchte in diesem Jahr wieder bei der „Zürichsee-Überquerung“ mitmachen, von Wollishofen nach Tiefenbrunnen. Im zarten Alter von Zwanzig schwor ich mir, eines Tages den Zürichsee schwimmend zu überqueren. Als Seniorin mit Siebzig, tat ich es zum ersten Mal.

Genug des Eigenlobes, es geht um das Thema: Macht Älterwerden Spass?

Dieses Privileg hat eine liebe Bekannte von mir nicht. Ein Tumor schädigte ihr Hirn. Seit Jahren ist sie ans Bett gefesselt. Und wenn ich schreibe „gefesselt“, ist das wirklich so. Sie braucht rund um die Uhr Hilfe und Unterstützung. Ich besuche sie ab und zu. Diese Begegnungen sind für mich stets sehr bereichernd, denn die Dame ist geistig voll präsent. Wir können lachen oder führen ernste Gespräche, manchmal hecheln wir auch alte Bekannte durch und kichern dabei wie alberne Teenies. Aussicht auf Heilung gibt es keine. Sie wartet einfach in ihrem Bett, bis der Sensenmann sie erlöst. Als ich ihr einmal meine Bewunderung ausdrückte für diese tapfere Haltung, meinte sie: „Was bleibt mir anderes übrig?“ Ist es ihr Glaube, oder die Freude, wenn ihre Kinder und Enkel sie besuchen? Wer oder was gibt ihr die Kraft ein so hartes Schicksal seit Jahren zu ertragen? Ich werde sie beim nächsten Mal danach fragen.

Ich denke an einen Freund aus meiner Jugendzeit. Seine Frau rief mich kürzlich an und berichtete von seinem Schicksal. Eine Operation jagte die andere. Vieles misslang und das Resultat: Er wird für immer einen Rollstuhl brauchen. Auch ihn bewundere ich. Keine einzige Klage war zu hören, als ich ihn besuchte in der Reha. Es wird noch Monate dauern, bis er wieder nach Hause – rollen - nicht gehen, kann. Macht Älterwerden wirklich Spass? Unter diesen Vorgaben kann ich die Frage nicht mehr überzeugend mit: „Ja sicher“ beantworten.

So einem das Schicksal ein Handicap auferlegt, sei es gesundheitlicher oder anderer Natur, muss die Antwort komplett anders ausfallen. Oder welche Meinung haben Sie dazu? Doch gerade Menschen, wie ich sie eben beschrieb, zeigen mir, dass es um die Haltung geht. Was mich betrifft, komme ich zum Schluss, dass ich bis zum heutigen Tag ein privilegiertes Leben führen durfte. Gerade deshalb ist es meine Pflicht, jeden Tag, jede Minute wach zu sein! So hellwach, dass ich die Freuden aber auch Nöte meiner Familie oder Freunden wahrnehme und mit ihnen teile. Nur so, macht Älterwerden Sinn und Spass.

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