Interview mit Dr. Thomas Gropp

Verena Lüthi, 30.12.2020

Thomas Gropp Allgemeinmediziner, Bottighofen
Thomas Gropp
Allgemeinmediziner, Bottighofen

Was halten Sie vom Impfen generell?

Als Hausarzt habe ich viele Menschen gesehen, die durch Nicht-Impfen und anschliessender Infektion schwer behindert waren.

Aber das sind doch seltene Fälle! Gibt es dazu Beispiele?

Ein Fall ist mir in Erinnerung,als sich eine 6-jährige an Masern infiziert hatte und als Schwerbehinderte mit 45 Jahren verstorben ist. ich kenne andere Beispiele für Schwerstbehinderte nach Infektionen mit FSME oder Polio, von unfruchtbaren Männern nach Mumpsinfektion ganz zu schweigen.Im Übrigen sterben jedes Jahr allein in Deutschland ältere Menschen an Masernlungenentzündungen, was vielen nicht bekannt ist. In Amerika zum Beispiel wurde mit Durchimpfung der Gesamtbevölkerung Masern fast gänzlich ausgerottet.

Wie ist Ihre Meinung speziell zur Corona-Impfung?

Wie ich gerade eine Mail von den leitenden Ärzten der Thurgauer Kantonsspitälern geschrieben bekommen habe, stehen oder standen diese, laut eigenen Angaben, bereits vor Bekanntwerden der neuen Mutationen des Virus, „mit dem Rücken zur Wand“, da sie auch sehr junge Patienten auf den Intensivstationen behandeln müssen. Da jeden Tag neue Fälle hinzukommen aber weniger Personen die Intensivstationen wieder verlassen, stellt sich meines Erachtens nicht die Frage, ob geimpft werden kann oder sollte, sondern, unmittelbar nach Eintreffen des Impfstoffs, muss einfach geimpft werden. Die Impfung ist gegen das CoViD-1-Virus äusserst sicher und hat ja bei der Swissmedic eine reguläre Prüfung durchlaufen. Die Daten sind sogar besser, als die so mancher in der Schweiz zugelassenen Medikamente und die Wirksamkeit (bis zu 96%) ist sehr viel höher als die von den herkömmlichen Grippeimpfstoffen (um 60%). Zudem ist diese Art der Impfung (mRNA) bereits seit Jahren in der Tiermedizin bekannt, erprobt und für sicher befunden (von wegen Genomveränderungen!).

Ist es denn seriös in dieser kurzen Zeit einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln?

Ja, vor allem mit dieser Neune Impfstoffklasse. Die in der Schweiz ständig blockierte Genforschung macht das möglich, da man quasi wie am Drucker beim Computer die Moleküle gestalten kann. Dies wurde bereits seit den Anschlägen vom 11.September 2001 besonders von den USA vorangetrieben, da man bereits seit dieser Zeit Angst vor einem biologischen Angriff auf den Westen seitens von Terroristen ausgehen musste. Die Amerikaner haben seither riesige Labors, die die Produktion eines durch Forscher entwickelten Impfstoffs in sehr grossen Mengen möglich macht.

Ist der Notfall schon da?

Ja, wie oben geschildert, die Schweiz ist in einer dramatischen Lage. Die Spitäler - so mein Eindruck - hier im Thurgau zum Beispiel, entledigen sich der älteren Patienten, indem sie sie infolge Platzmangel in Altenheime legen, wenn sie keine Rekonvaleszenz mehr erwarten.

Was halten Sie von einer Impfpflicht?

Kann ich mir nicht vorstellen, es ist aber mit viel Überzeugungsarbeit wünschenswert, eine möglichst hohe Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen. Ich kenne inzwischen einige, die vom Saulus zum Paulus bzgl. der Krankheit wurden, warum also auch nicht diesbezüglich.

Pflegepersonal first?

Diese Berufsgruppe ist derzeit so stark belastet, dass eine Impfung zuallererst bei diesen Menschen stattfinden müsste. Die Arbeitsbelastung ist absolut unmenschlich, kommt dann noch die Angst vor Ansteckung und Tod hinzu, dann ist das nicht mehr machbar! Die Impfung des Pflegepersonals und der Ärzte im direkten Kontakt mir Corona-Patienten muss für die Gesellschaft absolute Priorität haben. Gerade in den letzten Tagen und Wochen grassieren Schlafstörungen, depressive Zustände und damit verbundene Arbeitsunfähigkeiten in medizinischen Berufen. Es kommt zu Massenkündigungen. Wir sind sogar selbst in der Praxis davon betroffen. Neues und geeignetes Personal zu finden, ist in dieser Situation schier unmöglich.

Was sagen Sie zu den Vorschlägen, weitere Personen für die Pflege zu qualifizieren?

Unserm Bundesrat Berset wird nachgesagt, er habe geäussert, dass ja die Serviertöchter jetzt in die Spitäler gehen könnten, um auszuhelfen. Sollte dies tatsächlich zutreffen, wäre eine derartige Vorstellung fatal.

Es geht ja auch darum, das Pflegepersonal zu entlasten, oder?

Ja, durchaus. Aber für mich ist auch aus einem anderen Grund die Impfung des Pflegepersonals sinnvoll: dieses stellt derzeit den Raum „Verteiler“ des Virus im medizinischen Bereich dar. Es wurde sogar in Bergamo gezeigt, dass vermutlich die „Viruslast“, also die Menge Virus, dem die Ärzte (um 100) und Pfleger (um 200) ausgesetzt waren, zu den hohen Toten unter diesen Berufsgruppen geführt hat.

Ob man die Hochbetagten danach impfen sollte, obwohl diese ja auch eher zu Hause bleiben könnten oder vielleicht eher die im Berufsleben stehenden, um die Ausbreitung des Virus nachhaltig zu unterbinden, bleibt unklar. Die Amerikaner jedenfalls impfen alle, die in ein Auto steigen können und zu einer mobilen Impfstation à la drive-in kommen können, was vielleicht auch nicht wirklich dumm ist.

Ob ältere Menschen auf die Impfung eher reagieren, wird sich noch zeigen, es gibt aber keine Hinweise darauf, da die Impfungen für die Zulassungen der jeweiligen Impfstoffe in allen Altersgruppen durchgeführt wurden.

Wie sieht es eigentlich mit Nebenwirklungen aus?

Nennenswerte Nebenwirkungen sind nicht bekannt und es sind ja schon weit über 50000 Menschen geimpft. Man weiss von Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und leichter Temperaturerhöhung, die sich innert kurzer Zeit bessern, evtl. gering stärker wie bei anderen Impfungen. Bei dieser grossen Zahl ist es bislang, soweit bekannt, nur zu 4 Fällen von allergischen Reaktionen gekommen, die aber alle medizinisch beherrschbar waren, ganz im Gegensatz zur Erkrankung.

Sollen sich denn junge Menschen auch impfen?

Für mich macht gerade die Impfung von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen Sinn, wird aber angesichts der Tatsache, dass sich diese Personengruppe für unverwundbar hält, eher von geringem Erfolg gekrönt sein. Diese Bevölkerungsgruppe leidet besonders stark unter den Repressalien, die durch die Pandemie ausgelöst wurden. Die Kinderpsychiatrien in der Schweiz reden von einem besorgniserregenden Anstieg von behandlungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen.

Leider habe ich bereits wegen Corona-Erkrankung von schwerst behinderten oder sogar verstorbenen jungen Patienten (unter 30 Jahren) aus dem unmittelbaren Patientenumfeld berichtet bekommen.

Da die Impfungen bei unter 15-jährigen ja nicht untersucht wurden, ist derzeit eine Impfung von Kindern unter 15 nicht möglich.

Wie schätzen Sie die Folgen der Pandemie ein?

Ich persönlich habe den Eindruck, dass die schweren wirtschaftlichen Folgen erst dann unser Land wirtschaftlich treffen, wenn die ganzen Folgeerkrankungen von CoViD-19, die erst nach Monaten oder gar Jahren auftreten, (für deren Auftreten es aber bereits erschreckende Hinweise gibt), unser Gesundheits- und Rentensystem mit aller Härte treffen werden. Hier wird es dann diejenigen treffen, die im Berufsleben stehen und deren Arbeitskraft dann plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht. Und dies in der Bevölkerungsschicht, die bereits jetzt in unserer „Alterspyramide“ fehlt.

Böse Zungen sagen ja bereits, dass die Politik den „Schweizer Weg“ gewählt hat, um die Alterspyramide zu korrigieren und die Sozialsysteme zu entlasten.

Thomas Gropp
Allgemeinmediziner, Bottighofen (Vorsitzender Ärztenetz Thurgau)

Das Interview führte Verena Lüthi, Redaktion Julia Onken Online-Magazin

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