Interview mit Matthias Wiemeyer

Julia Onken, 31.01.2020

Matthias Wiemeyer
Matthias Wiemeyer

Als ich auf Ihrer Website «www.schreibszene.ch» herumschlenderte, hat es mir den Ärmel so richtig reingenommen. Was für eine Fülle von verdammt guten Texten! Ihr Seminarangebot, das verschiedene Schreibgenres umfasst, ist einfach überwältigend. Aber vor allem Ihr Blog ist eine Liebeserklärung an die Sprache. Die Titel halten, was sie versprechen. Z.B. «Das treffende Wort: Reparaturanleitung für lahme Texte». Selten habe ich derart pfiffige und gleichzeitig kluge Texte gelesen! Ist Ihnen das eigentlich bewusst oder überrascht Sie meine neidlose Anerkennung?

Oh – erst mal vielen Dank für die Blumen. So viel Lob macht mich ganz verlegen. Aber vor allem freut es mich natürlich, weil genau das mein Ziel war.

Ich versuche bei jedem Text, gutes Handwerk und originelles Denken zu verbinden und feile so lange, bis ich finde: Besser kann ich es nicht. Aber beim Schreiben bin ich so im Prozess gefangen, dass ich kaum beurteilen kann, ob der Text schon gut ist. Deshalb muss meine Frau Petra alle Texte absegnen, bevor sie veröffentlicht werden.

Ich selbst bemerke die Qualität oft erst ein halbes Jahr später, wenn ich zufällig bei einem meiner Texte hängenbleibe. Dann denke ich oft: Der ist dir gut gelungen und bin stolz. Und wenn ein Kompliment wie Ihres kommt, geht natürlich die Sonne auf und ich erlebe einen Moment lang das herrliche Gefühl: Die Mühe lohnt sich wirklich.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich auf diese intensive und kluge Weise mit Schreiben zu befassen?

Ich bin ein Sinnsucher. Es ist mir ein Vergnügen, Zusammenhänge zu erforschen und Hintergründe zu durchleuchten. Intensive Begegnungen mit sehr klugen Menschen haben diese Freude in mir gestiftet. Darunter ein Philosophieprofessor, ein Physiker und der Abt eines buddhistischen Klosters. Neben meinem Elternhaus haben diese Leute mein Weltbild entscheidend geprägt und in mir die Freude entfacht, originelle Einsichten aus ungewöhnlichen Perspektiven zu gewinnen. Deshalb liest man bei mir öfters mal einen Einfall, den andere noch nicht hatten.

Ich habe in Ihrem Seminarangebot gesehen, dass Sie einen ausgesprochen gut konzipierten Kurs in literarischem Schreiben anbieten. Da wir uns im Frauenseminar Bodensee mit unserer Kernkompetenz für die Ausbildung von Biografie-Schreibpädagoginnen einsetzen, sehe ich in Ihrem Angebot eine perfekte Ergänzung. Wie sehen Sie das?

Das kann ich mir gut vorstellen. Auf diesen Lehrgang sind wir sehr stolz. Er ist etwas ganz Besonderes. Meiner Frau Petra hat ihn zusammen mit der Schweizer Autorin Michèle Minelli entwickelt, die auch als Dozentin und fachliche «Mama» des Lehrgangs dabei ist. Die beiden haben den Lehrgang mit viel Leidenschaft und Liebe zum Detail entworfen. Wir haben Dozenten, die schon anderswo ähnliche Kurse gegeben haben, gefragt, was sie dort gut und was sie schlecht fanden. Das Gute haben wir dann besonders betont und für das Schlechte bessere Alternativen gesucht. Bis wir wieder überzeugt waren: Besser können wir es nicht.

Das Ergebnis gefällt unseren Schreiberfreunden. Der erste Durchgang war schon halb gefüllt, bevor die Ausschreibung fertig war. Auch der kommende Durchgang ist schon fast ausverkauft, obwohl wir keine Reklame machen. Am Ende entsteht übrigens ein Sammelband literarischer Erstlingswerke, den wir in Lesungen an der Schweizer Erzählnacht präsentieren.

Was können Teilnehmende erwarten, wenn sie zum Beispiel den Kurs «von der Idee zum Buch» besuchen, kann dabei wirklich ein Buch entstehen?

Das kommt darauf an, wie viel Vorwissen sie mitbringen. Dieser eine Tag ist ein Helikopterflug über das Gelände. Der schafft Überblick und ist mit vielen guten Tipps und Tricks zum Überwinden häufiger Stolpersteine gespickt. Für eine engagierte Schreiberin, deren Buchprojekt schon lange «gärt», können das die entscheidenden Impulse sein, damit das Projekt ins Rollen kommt.

Aber viele stehen erst am Anfang ihrer Überlegungen und wollen sich erst einmal einen Überblick verschaffen, was auf sie zukommt und wie sie sich am besten organisieren. Die haben dann noch viel vor sich, bis ein Buch Formen annimmt. Wer uns anruft und seine Situation schildert, bekommt von uns einen ehrlichen Rat. Und wenn es nicht passt, raten wir ab oder empfehlen etwas Anderes.

In welcher Weise sind Sie tagtäglich mit Schreiben konfrontiert? Haben Sie feste Schreibzeiten oder warten Sie ab, bis Sie die Muse küsst?

Bei mir sind das eher kreative Schübe. Wenn ich keine Idee habe, kommt nichts dabei heraus, was mich zufrieden stellt. Aber wenn ich an einem Thema dran bin, gibt es für mich tagelang oft nichts anderes. Das ist für meine Familie dann schwierig, weil ich tagelang geistig auf einem anderen Stern lebe. Trotzdem gibt es jeden Tag ein paar Stunden, die ich dem Schreiben widme und diese Übung zahlt sich aus, wenn ich wieder eine intensive Phase habe.

Ihre Webseite hinterlässt einen ganz anderen Eindruck als die Seiten anderer Schulen. Nicht nur wegen guten Tipps, sondern weil man spürt, dass Sie wirklich mit dem Herzen bei der Sache sind. Wie machen Sie das?

Als Meine Frau und ich vor 2010 mit der Schreibszene begannen, hatten wir beide schon Erfahrung in normalen Berufen. Sie als Geschäftsführerin einer KMU und ich in Grossunternehmen. Irgendwann haben die alten Berufe für uns nicht mehr gepasst und dann haben wir etwas Eigenes angefangen. Wir wollten nur noch tun, was wir gut finden und nur noch mit Menschen zusammenarbeiten, die wir nett finden. Das klingt naiv, aber wir haben es durchgezogen. Man wird nicht reich mit dieser Einstellung. Aber es ist für uns der pure Luxus, so zu arbeiten. Diese Haltung schimmert überall durch und das ist wohl der besondere Eindruck, den Sie bemerkt haben.

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