Ja zur Initiative

Fabia Knechtle Glogger, 27.05.2021

Fabia Knechtle Glogger
Fabia Knechtle Glogger

Fabia Knechtle Glogger ist Umweltingenieurin und führt mit ihrem Mann, René Glogger ihr Bio-Weinbaubetrieb in Thal/SG.

Mit ihren beruflichen Hintergründen als Umweltingenieurin und Chemiker im Bereich Umweltschutz bringen sie viel Wissen über Ökologie und Biodiversität mit. Biologischer Landbau ist für sie daher eine Selbstverständlichkeit. Wichtig ist für Frau Knechtle, dass das Schweizervolk die Initiative annimmt, über die am 13. Juni 2021 abgestimmt wird.

Frau Knechtle, im Initiativtext geht es darum, die Bevölkerung der Schweiz mit sauberem Trinkwasser und gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Bis jetzt war ich immer der Meinung, wir hätten schon sauberes Trinkwasser und die Pestizidrückstände als Verursacher von vergiftetem Trinkwasser sind ebenfalls stark zurückgegangen, wieso braucht es dann noch diese Initiative über die wir am 13. Juni 2021 abstimmen?
Die Tatsache, dass eine ganze Palette an Pestizidrückständen in vielen Gewässern nachgewiesen werden kann und sogar Trinkwasserfassungen davon betroffen sind, zeigt die Missstände klar und deutlich auf.

Dass sie überhaupt unsere Ökosysteme belasten ist inakzeptabel und der Mix vieler verschiedener Rückstände beeinträchtigen Flora und Fauna wie auch die menschliche Gesundheit, selbst wenn die Rückstände unter den Grenzwerten liegen.

Weiss man, wie gross der Anteil der Menschen ist, die mit Trinkwasser versorgt werden, welches noch Pestizidrückstände aufweist?
Tatsache ist, dass mindestens eine Million Menschen in der Schweiz mit Trinkwasser versorgt werden, welches Pestizidrückstände über den Grenzwerten aufweist.

Der Handlungsbedarf ist dringend.

Das Märchen einer nachhaltigen Schweizer Landwirtschaft ist Augenwischerei, denn es bestehen zu viele Fehlanreize, welche es finanziell attraktiv machen, umweltschädigende Landwirtschaft zu betreiben. Es ist höchste Zeit, dass wir, die Schweizer Bevölkerung, dies gemeinsam ändern und einen anderen Kurs einschlagen!

Von den Gegnern hört man, dass schon jetzt Antibiotika nur eingesetzt wird, wo es wirklich nötig ist, also müssten ja auch hier Rückstände massiv zurückgegangen sein?
Der Einsatz von Antibiotika erfolgt noch immer zu oft und auch teilweise noch prophylaktisch. 2016 erkrankten in der Schweiz rund 12’600 Menschen an multiresistenten Keimen. Das sind doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor (Quelle: Ärztinnen und Ärzte für den Umweltschutz).

Aber hat das mit unserer Landwirtschaft zu tun?
Zumindest zu einem gewissen Teil. Antibiotikaresistenzen sind für die menschliche Gesundheit lebensbedrohlich. Antibiotikaresistente Keime werden über Gülle und Mist in der Umwelt verteilt, werden in Böden und Gewässern nachgewiesen und gelangen so in unsere Nahrung.

Wo viel Fleisch in kurzer Zeit produziert werden soll, Tiere oft den Betrieb wechseln und viele Tiere auf kleinem Raum gehalten werden, kommen Antibiotika öfter zum Einsatz.

All jene Betriebe, die bereits jetzt Antibiotika nur im Notfall einsetzen, hätten ja bei einer Umsetzung der Initiative keine Einschränkungen. Warum wehren sie sich dennoch mit Händen und Füssen gegen eine Regelung, die prophylaktischen Antibiotikaeinsatz verbietet?...

Auch das Argument war zu hören, dass wir in der Schweiz gar nicht über genügend Eigenfuttermittel verfügen, was zur Folge hätte, dass Bauern, die ihr Eigenfutter nicht selber produzieren können, ihre Existenz aufgeben müssten?
Kein System kann langfristig gesund funktionieren, wenn permanent mehr Nährstoffe zugeführt werden, als der Kreislauf benötigt. Das ist heute aber der Fall. Die überschüssigen Nährstoffe belasten die Umwelt und landen schlussendlich im Wasser. Die Initiative packt eines der grossen Umweltprobleme an der Wurzel: in der Schweiz werden zu viele Tiere gehalten, was eine Folge des zu hohen Fleischkonsums ist. Eine gewisse Umstellung unseres Ernährungssystems ist unabdingbar und ein Umdenken ist sowohl von den Konsument*innen als auch von den Landwirt*innen für die Zukunft nötig. Wer bereit ist, diese Entwicklung zu gehen wird sie als Chance sehen. Lösungen sind vorhanden, man muss nur endlich beginnen, diese umzusetzen.

Hat die Initiative nicht zu Folge, dass mehr Importe aus dem Ausland erfolgen? Hier hätte man ja definitiv keine Kontrolle mehr über die Produktionswege. Wäre das im Endeffekt nicht ein klassisches «Eigentor»?
Zu Importen möchte ich zwei Dinge sagen: Die Schweiz scheut sich in keinem Bereich, Importe durch Zölle und Bestimmungen zu kontrollieren.

Es wäre also das Neuste, dass man keine Mindeststandards für importierte Ware festlegen kann. Zweitens: Die landwirtschaftlichen Betriebe selbst sind heute grosse Importeure von Futtermitteln, landwirtschaftlichen Maschinen etc.

Wieviel Erdöl und Importfutter in unseren «Schweizer» Produkten letztendlich steckt, möchte niemand ehrlich offenlegen. Nur schon der Verbrauch von tausenden Litern Diesel auf einem durchschnittlichen Betrieb für die Trocknung des Heus auf dem Heustock hat für mich wenig mit «einheimischer» oder ökologischer Produktion zu tun. Dies nebenbei, darum geht’s ja bei der Trinkwasserinitiative nicht.

Sondern?
Neben den vorhandenen Möglichkeiten, die wir haben, den Standard von Importprodukten zu kontrollieren, möchte ich vor allem an das Verantwortungsbewusstsein der Konsument*innen appellieren.

Sie haben es in der Hand, die Produkte der einheimischen Landwirtschaft zu kaufen und damit ihre Existenz zu sichern. Der Anteil des Einkommens, welcher heute für Nahrungsmittel ausgegeben wird ist so tief wie noch nie. Menschen leisten sich teure Autos, Flugreisen und teure Freizeitaktivitäten.

Es wäre an der Zeit, dass die Schweizer*innen etwas mehr für gesunde und wirklich umweltschonende Produkte ausgeben. Damit haben sie es in der Hand, die Existenz der hiesigen Landwirtschaftsbetriebe zu erhalten. Unter dem Strich wird die ganze Bevölkerung profitieren.

Finanziell, weil wir unsere eigene Umweltverschmutzung und die Behebung der damit verursachten Schäden weniger mitfinanzieren müssen. Ethisch, weil wir einen Beitrag leisten, unsere Lebensgrundlage und eine reiche Biodiversität auch für unsere Enkelkinder zu erhalten. Und nicht zuletzt, weil ein gutes Gewissen beim Genuss unserer Lebensmittel diese umso besser machen! Wir sollten die Entwicklung als Chance zusammen anpacken.

Herzlichen Dank Frau Knechtle Glogger für das Gespräch, wir werden es am 13. Juni erfahren, wie das Stimmvolk entschieden hat.

Das Interview führte Verena Lüthi, Redaktion

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