Julia Onken, 04.10.2018
War der Hügel, der oberhalb Ascona am Lago Maggiore lag, ein hochkarätiges Künstlernest oder hausten dort Verrückte, durchgeknallte Aussteiger, schmuggelnde Anarchisten oder ernst zu nehmende Weltverbesserer?
Das soeben erschienene Buch von Stefan Bollmann stillt den Wissensdurst. Und zwar umfassend. Es ist eine grossartige Abhandlung über eine Bewegung, die um 1900 begann und zum Ziel hatte, sich wieder mit der Natur in Harmonie zu verbinden. Die Themenpalette umfasste ein kreatives Spektrum und erstreckte sich von Ausdruckstanz, Naturheilkunde, Okkultismus bis hin zur Psychoanalyse, im Mittelpunkt aber drehte sich alles um eine gesunde Lebensführung. Dazu gehörte selbstverständlich nicht nur die Auseinandersetzung mit vegetarischer, sondern gleichermassen auch mit veganer Ernährung mit dazu.
Bei der Lektüre begegnet man einer Fülle von bekannten Persönlichkeiten, denen es um eine Revolte gegen überkommene Lebensstile ging und die auf der Suche nach neuen Möglichkeiten waren. Dass es mit der 1968er Bewegung in neuer Formation eine Fortsetzung gegeben hat, wird deutlich und verbindet die Revolte vor fünfzig Jahren mit den ursprünglich gesetzten Signaturen. Alles lässt sich schliesslich in einem Zusammenhang erkennen – selbst die Parameter des Feminismus finden sich darin.
Ich habe dieses hoch interessante Buch mit grossem Interesse und
Vergnügen gelesen! Endlich weiss ich es: Nein, es waren keine durchgeknallten Abenteurer,
sondern ernsthaft Suchende nach einem Leben, das sich mit den innersten
Bedürfnissen des menschlichen Daseins nach Harmonie, Freiheit und Selbstbestimmung
ernsthaft beschäftigte.
Stefan Bollmann, Monte Verita, DVA Verlag