Maya Onken: Schreiben als Geburtshilfe

Maya Onken, 01.09.2023

Maya Onken
Maya Onken

Schreiben befreit

Vor einigen Jahren stand ich vor einem grossen Scherbenhaufen. Ein Beziehungs-Fiasko lag hinter mir und ich fragte mich mit vielen Selbstvorwürfen, warum ich blind wie ein Maulwurf gewesen war und warum ich nicht früher gehandelt habe. Selbstverständlich halfen diese Fragestellungen nicht weiter und es ging mir einige Monate ziemlich schlecht. Coachings, systemische Aufstellungen, Rituale, Affirmationen und das ganze therapeutische Arsenal halfen zwar ein wenig, aber die Wunde war einfach sehr gross. Dann setzte ich mich eines Tages in meinen Ferien hin und schrieb eine Geschichte darüber. Ich konnte nicht mehr aufhören, die Finger tippten wie wild über mehrere Tage alles in die Tasten. Der Schluss der Geschichte war eine Versöhnung, die mir halft, das offene Buch des Beziehungsabbruchs zu schliessen. Mein Unbewusstes hat sich offenbar mitversöhnt, denn ich kann mich mit aller Mühe nicht mehr erinnern, in welchem Ordner ich die Geschichte abgespeichert habe.

Schreiben bringt Unbewusstes ans Licht

Vor vielen Jahren machte ich Ferien mit meiner damaligen Freundin Sabrina. Sabrina erfuhr in diesen, dass sie die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium nicht bestanden hatte und behielt die Nachricht mehrere Tage für sich. Als wir im Rückflug nebeneinandersassen, erkundigte sich eine andere Kollegin nach dem Prüfungsresultat. Sabrina tippte das SMS zurück «Nicht bestanden. Steh gerade vor dem Abgrund.» Beim Schreiben wurde ihr erst klar, wie stark sie das alles erschütterte und sie brach in Tränen aus. Wenn wir die Dinge formulieren, nehmen sie Gestalt an. Das hilft, um sie sichtbar zu machen. Und erst wenn etwas vor dir steht, kannst du es angehen. Schreiben ist also eine Geburtshilfe, um Wichtiges zur Welt zu bringen.

Schreiben entführt dich auf andere Planeten

Ein Verlag kam auf mich zu und fragte an, ob ich ein Buch für Frauen schreiben wolle. Sie dachten an mein Tobleronemodell, das ich in einem Vortrag vorgestellt hatte und von dem sie gehört hatten. Aus vielen Gesprächen entstand dann der Titel «Beziehungsstatus unzufrieden.» Nun hatte ich mich ein halbes Jahr zuvor selbst getrennt und für viele liegt die Vermutung nahe, dass ich hier meine persönliche Geschichte verarbeite. Nein, so ist es nicht, aber mein eigenes Erleben ist mein Erfahrungskapital, aus dem ich schöpfen kann. Zudem kenne ich viele Frauen und ihre Geschichten, die sich zuweilen decken, gleichzeitig aber auch sehr unterschiedlich sind. Ich habe alle Möglichkeiten zusammengetragen, sie nach Gemeinsamkeiten untersucht und sie in Prototypen zusammengefasst. Und nun bin ich selbst sehr gespannt, was aus meinem Buch wird – es erscheint im Frühjahr 2024.

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