Mit dem Reissverschlusstrick zur Wunderfigur

Béatrice Stössel, 27.12.2019

Béatrice Stössel
Béatrice Stössel

Kaum sind die Weihnachtslieder verklungen und die Silvesterraketen verpufft und kaum haben die heiligen drei Könige am 6. Januar als Letzte ihre Geschenke überbracht, tauchen auf den Bildschirmen, in Illustrierten und vor allem in Frauenzeitschriften die Angebote für noch nie dagewesene und einmalige Wunderdiäten und Schlankmacher auf.

Darin werden die neuesten Erkenntnisse der Ernährungsspezialisten zitiert. Sie versprechen, dass mit dieser oder jener Methode das ganz persönliche Übergewicht in nur 14 Tagen für immer und ewig verschwinden wird. Die „Vorher – Nachher Fotos“ sollen die Wirkung der Pillen und Drinks belegen. Ich wundere mich jeweils über diese Bilder. Selbst ein Blinder erkennt, dass es sich nicht um ein und dieselbe Person handeln kann. Auf diesen Blödsinn falle ich nicht herein.

Ich möchte Ihnen jedoch von meinem erfolgreichen Gewichtsverlust erzählen. Es war im Januar 2015, als mir ein lieber Freund schrieb: „Ich faste zehn Tage und nehme nur Gemüsebrühe und Wasser zu mir. Danach habe ich mein Kampfgewicht von vor den Festtagen wieder!“ Er gehört zur Gattung Mensch, bei der sich die Schlemmereien der Festtage nicht ins Gewebe krallen und mit aller Kraft hartnäckig dort verweilen. Oder schlimmer noch – sich mit den vom Vorjahr noch immer vorhandenen Pölsterchen verbünden. Manchmal könnte ich diese Gattung Mensch ins Pfefferland schicken. Sie schlemmen was die Schlachtplatten hergeben. Trinken dazu womöglich noch kalorienreiches Bockbier und bleiben schlank und rank.

Doch mein Ehrgeiz war angestachelt. Was der kann, bringe ich auch zustande, redete ich mir ein, musste aber blitzschnell erkennen, dass dies nicht mein Weg zur Gewichtsabnahme war. Unter uns, es musste etwas passieren, ich fühlte mich nicht mehr wohl in meiner Haut. Und nicht einzig die Festtagsschlemmereien waren schuld daran. Der Aufwärtstrend der Anzeige auf der Waage vollzog sich über Jahre hinweg. So entschied ich mich für die Variante: ein Kilo pro Monat weniger. Und siehe da, der Versuch gelang. Was war ich stolz, als die Festtage näher rückten und ich mir Naschereien erlauben konnte, auf die ich sonst verzichtet hätte.

Es kam jedoch wie es kommen musste. Ich bin eine Geniesserin und nicht zu faul, um gut zu essen! Und ob Sie es glauben oder nicht, die Pfunde, welche ich in die Wüste schickte hatten Heimweh. Sie kehrten zu mir zurück. Nicht alle auf einmal, aber immer wieder ein paar.  Sie schmiegten sich, so peu à peu, auf meine Rippen und Hüften. Und natürlich passte mein Lieblingskostüm, mit dem schönen Rock nicht mehr. Es einfach wegschmeissen, wollte ich nicht. Nein, es musste etwas Entscheidendes passieren. Doch was? Die Nähte auslassen ging nicht, die waren zu knapp gesteppt, da liess sich nichts machen. Etwas mutlos meldete ich mich trotzdem bei meiner Wunderschneiderin an. Wir zwei finden meistens eine Lösung für ein nähtechnisches Problem. Dieses Suchen nennen wir kreative Projektphase. So zeigte ich Conny mein Lieblingsstück, welches ich nicht entsorgen wollte.

„Das wird schwierig“, meinte sie, „man könnte....“

In diesem Moment fiel mein Blick auf den langen Reissverschluss, der auf ihrem Nähtisch lag. Ich griff danach und drapierte ihn auf der Seitennaht.

„Wie wäre es damit?“

Du meinst, wir setzen links und rechts zwischen die seitlichen Nähte einen Reißverschluss als dekoratives Element und gewinnen so mehr Weite?“, fragte Conny. Ich nickte. „Gute Idee, aber es reicht noch nicht ganz. Doch lass mich nur machen, es fällt mir schon eine passende Lösung ein.“

Wenn meine Wunderschneiderin Conny eine solche Aussage macht, kann ich ruhig von dannen ziehen und warten bis sie mich zur Anprobe ruft. Ich weiss, es kommt gut. Weil, wenn nicht, fängt sie schon gar nicht erst mit der Arbeit an, sondern überzeugt mich jeweils vorher, dass es sinnlos sei.

Nach drei Wochen forderte mich eine SMS zur Anprobe auf. Ich rannte zu ihr. Sie wohnt keine drei Minuten von mir entfernt. Auf der Schneiderbüste drapiert war mein Kleid. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Seitlich waren schmale Reissverschlüsse eingesetzt, die ich unten etwas hochziehen konnte zu kleinen Schlitzen. „Sehr neckisch“, grinste ich! Und vorne eine breitere Variante mit gröberen Zähnen die so ein raffiniertes Deko-Element darstellten und dem Kleid die nötige Weite gaben. Ich war begeistert, schlüpfte hinein und es sass wie angegossen. Ich weiss nicht, wer sich mehr freute über das gelungene Werk, sie oder ich. Und sehen Sie, geneigte Leserin, verehrter Leser, so trotze ich dem ewigen Auf und Ab der Kilos à ma façon. Ganz einfach.

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