Petra Lienhard - Peinlich auf jung getrimmt

Petra Lienhard, 26.02.2021

Petra Lienhard
Petra Lienhard

Suche schlanke bis vollschlanke Partnerin. Mann, 71, Pfeifenraucher, 184 gross. Du bist gut gelaunt und möchtest nicht mehr allein durchs Leben gehen. Angesprochen? Dann melde dich unter …

Genau, das passt, denkt sie. Angelika holt ihr Handy, fotografiert das Inserat und sendet es ihrer Freundin per WhatsApp, mit dem Kommentar: „He, Renate klingt das nicht toll?“ Gespannt wartet sie auf eine Antwort. Doch das Handy bleibt stumm. Meine Güte, warum meldet sie sich nicht, fragt sich Angelika und greift zum Telefon. Hallo Renate, was sagst du zu diesem Inserat?“ Die Antwort kommt nur zögerlich. Na ja, ich weiss nicht! Meinst du wirklich? Ich überlege es mir. Doch Angelika kennt Renate nur zu gut, sie doppelt sofort nach: „Was gibt es da zu überlegen? Denk dran, die Konkurrenz schläft nicht!“ Doch irgendwie hält sich Renates Interesse in Grenzen.

Enttäuscht wechselt Angelika das Thema, aber dieses verflixte Inserat geht ihr einfach nicht aus dem Kopf. Das ist doch wirklich eine vertane Chance, überlegt sie. „Wenn Renate nicht will, dann leiere ich für sie das Ganze an. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn da nichts zu machen wäre.“ Kaum hat sie ihr Gespräch beendet wählt sie die Telefonnummer aus dem Inserat. Eine klangvolle Tenorstimme meldet sich. Fröhlich und unbefangen sagt sie: Ich rufe im Namen meiner Freundin an.“ Begeistert schildert sie Renates Vorzüge und Eigenschaften. Und tatsächlich er beisst an. Er sagt für ein erstes Treffen zu. Donnerstagvormittag in einer Woche im Schlössli Restaurant.

Angelika ist sich im Klaren. Sie hat nur wenig Zeit Renate zu überzeugen. Gleich am nächsten Tag trifft sie sich mit ihrer Freundin im gemeinsamen Stammcafé. Angelika muss anstrengende sowie zähe Überzeugungsarbeit leisten. Nach drei unendlich langen Stunden hat sie ihre Freundin weichgeklopft. Als i-Tüpfelchen verspricht sie: Ich warte am Donnerstagmittag wieder hier auf dich. Dann kannst du mir alles haarklein erzählen.

Am Donnerstag, zehn Uhr steht Renate vor dem „Schlössli.“ Zweifel kommen auf. Was mache ich hier bloss,“ schiesst es ihr durch den Kopf. Sie zögert, doch am Ende siegt Ihre Neugierde.

An einem Fensterplatz des Gastraums, sitzt äusserst lässig ein Mannsbild, nun ja, nicht unbedingt ein Adonis, jedenfalls würde er es auf kein Titelblatt für Mode schaffen. Zudem etwas peinlich auf jung getrimmt, mit schwarzer Lederjacke, blauen Röhren-Jeans, mit Gel aufgepeppten schütteren kurz geschnittenen weissen Haaren und einer heftig qualmenden Pfeife im Mund. Die Luft im von ihm ausgesuchten Raucherlokal ist zum Schneiden dick. Sie unterdrückt den aufkommenden Husten. Immerhin, freundlich sieht er wenigstens aus. Plötzlich ist es ganz leicht. Charmant lächelnd geht sie auf ihn zu. Er aber erhebt sich nicht mal, sondern streckt Renate nur die Hand entgegen – ganz Gentleman. Renate unterdrückt ein Schmunzeln. Während sie sich setzt, mustert er sie und kommentiert: „Na du bist ja ganz schön mollig.“ Souverän überhört sie diese Aussage. Sie befreit sich von ihrem Cape, während sie sich zu ihm aufs blaue Samtsofa setzt.

Mein Name ist Lutz Meier, stellt er sich vor, „wenn du nichts dagegen hast, bleiben wir beim Vornamen. Möchtest du etwas trinken?“ Renate nickt: „Einen Kaffee Creme bitte.“ „Wie alt bist du“, ist gleich die nächste Frage. Selbstbewusst antwortet Renate „zweiundsiebzig“. „Na, das geht ja gerade noch!“, stellt er fest. Stolz berichtet er, wie er sein Leben nach dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren in den Griff bekommen hat. Renate wird sogleich mit einem Wortschwall, ohne Punkt und Komma von Lutz überschüttet.

„Ja, weisst du, meine Frau ist vor zwei Jahren an Krebs gestorben und Kinder hatten wir keine. Das war natürlich unendlich schwer für mich. Von einem Tag auf den anderen musste ich selber kochen, putzen und waschen. Meine Frau liess es sich bis zum Schluss nicht nehmen, mich zu umsorgen! Ich war halt ihr kleiner Pascha. Mit Überzeugung bringt er zum Ausdruck: „Inzwischen bin ich sehr effizient geworden. Habe gelernt zu kochen. Einfache Rezepte gelingen mir perfekt. Ich putze und wasche selbst, nur das Staubwischen liegt mir nicht so. Mein Haus mit dem grossen Garten habe ich voll im Griff. Du siehst, ich bin gut organisiert und suche weder eine Haushälterin noch eine Gärtnerin.“

Renate gibt ihm im Geist einen Pluspunkt und nimmt das Gesagte wohlwollend zur Kenntnis. Endlich, jetzt bekommt sie die Chance ein paar Fragen an Lutz zu richten. „Was sind denn deine Freizeit Aktivitäten? Unternimmst du gerne spontan etwas? Gehst du gern in die Oper? Gefallen dir Theaterstücke, wenn ja, welche? Hast du ein Faible für Kultur und Musik? Romantik ist mir wichtig und wird bei mir grossgeschrieben.“

Für ein Sekündchen ist es mäuschenstill. „Nun, ich gehe gerne in Museen. Das Verkehrsmuseum in Luzern ist einfach spitze. Auch das Technorama in Winterthur ist ungemein interessant. Ab und zu in einem Restaurant gemütlich zu Abend essen…“ Augenblicklich verschliessen sich Renates Ohren: „Moment, das hatte ich doch schon einmal mit meinem Rolf. Für ihn war alles Technische der absolute Knüller“, denkt sie. Das war damals okay, er war schliesslich meine grosse Liebe, es gehörte einfach zu ihm! Ihre Gedanken purzeln durcheinander. Nein, nein, das möchte sie nicht noch einmal! Jetzt ist die Zeit gekommen in der Musik, Kultur, Bücher, Kunst in der ersten Reihe stehen. Miteinander gute und inhaltsvolle Themen austauschen, damit will sie ihren Lebensabend füllen.

Gedankenverloren versucht sie ins Hier und Jetzt zurückzufinden, derweil Lutz mit dem Beschreiben seiner Interessen immer noch voll in Fahrt ist. „Für eine Dauerbeziehung stelle ich mir vor, drei Tage bei mir, drei Tage bei dir und einen Tag zur freien Verfügung. Klar ist natürlich, wenn du bei mir übernachtest, hätte ich es gerne, dass du für mich kochst. Ich möchte schon lange mal wieder etwas Deftiges zum Z’mittag, zum Beispiel Rindsvoressen mit Kartoffelstock und feinem frischen Gemüse.“

„Ausgerechnet Kochen, diese Arbeit ist wirklich nicht meine Lieblingsbeschäftigung!” denkt Renate. Gemeinsam Essen gehen passt da schon besser ins Bild. Für sie ist glasklar, der gute Mann ist nie und nimmer ihr Traumprinz. Sie registriert wieder den ihr beissend entgegenfliegenden Pfeifenqualm. Renate ringt nach Worten. Lutz bemerkt ihren entgeisterten Blick. Eilig zückt er seine Geldbörse und ruft: Zahlen bitte! Gleichzeitig versucht er, sein Gesicht zu wahren. „Schade, wenn ich ehrlich bin, so bist du für mich doch etwas zu dick!“

Nach diesem Paukenschlag geht jeder seines Weges. Lutz zu seinem Auto, einem protzigen SUV, und Renate durch die nächste schmale Gasse zu ihrem Stamm Café.

Gefällt Ihnen der Artikel? Wir freuen uns über ein Empfehlen auf Facebook. Herzlichen Dank!

Sie können unsere Beiträge auch auf Facebook und Twitter lesen. Verbinden Sie sich mit uns.

Datenschutzhinweis
Diese Webseite nutzt externe Komponenten, welche dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Lesen Sie dazu mehr in unseren Datenschutzinformationen.
Notwendige Cookies werden immer geladen