Philosophie - etwas für alte studierte Männer?

Dr. Eckart Ruschmann, 21.01.2019

Dr. Eckart Ruschmann
Dr. Eckart Ruschmann

Frage: Wenn ich das Wort Philosophie höre, denke ich, das ist etwas für alte studierte Männer und hat mit mir nichts zu tun. Täusche ich mich? (Arielle)


Liebe Arielle,

danke für deine Frage, sie berührt einen etwas „heiklen“ Aspekt der Philosophie. In der Tat gibt es eine Reihe von „alten studierten Männern“, die sich mit der Philosophie beschäftigen bzw. beschäftigt haben, ich muss mich ja notgedrungen selbst in diese Riege einreihen.

Da du diese Frage jedoch an mich stellst, muss ich dir mitteilen, dass dein (Vor-)Urteil über die Philosophie nichts mit dem zu tun hat, was ich darunter verstehe. Und da ich dir nun leider nichts Anderes anbieten kann als mein eigenes, persönliches Verständnis von Philosophie, bitte ich dich, meine Äußerungen einmal zu reflektieren, anschließend stell dir doch bitte die Frage erneut, was „Philosophie“ in dir auslöst, wenn du dieses Wort hörst.

Philosophie heißt ja wörtlich „Liebe (philia) zur Weisheit (sophia)“ – und im antiken Griechenland hatte diese Bezeichnung auch noch eine wirkliche Bedeutung. Von Sokrates wird gesagt, dass er auf dem Marktplatz (der Agora) philosophiert hat, für ihn war ein unphilosophisches, d.h. unreflektiertes Leben nicht lebenswert.

Ich weiß sehr gut, dass die Philosophen sich über sehr sehr lange Zeit nicht mehr auf dem Marktplatz haben sehen lassen bzw. dort hätten zeigen können, aber es gibt heute eine ganze Reihe von Philosophen (und immer mehr auch Philosophinnen), die sich bemühen, diese Tradition wieder neu zu beleben – sie betreiben Philosophie als Praxis (und als Beratung), nicht primär als Theorie und elitäre Disziplin.

Doch was ist Weisheit? Interessanterweise gibt es in vielen Sprachen der Welt die Unterscheidung von „Wissen“ und „Weisheit“. Wenn jemand viel Wissen erworben hat, z.B. auch über philosophische Texte, kann er von der Weisheit unendlich weit entfernt sein. Weisheit ist lebensbezogen, sie ist „erfahrungsgesättigt“.

Es gibt natürlich eine „akademische Philosophie“, und in vielen Aspekten hat sie leider nur wenig Bezug zur Lebenswirklichkeit. Doch es gibt auch ein anderes Verständnis von Philosophie, das besagt: In gewisser Weise ist jeder Mensch Philosoph bzw. sollte es sein. (Ich verwende manchmal den Begriff „Laienphilosophie“, mit viel Respekt!)

Philosophie ist auf zentrale Weise die Frage nach Sinn und Orientierung, nach „Mensch, Welt und Gott“.

Also wäre meine Antwort auf deine Frage: Nein, Philosophie ist nicht eine Sache nur für alte Männer, sie findet immer dann statt, wenn ein Mensch sich grundsätzliche Fragen stellt, wie etwa: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?

Wenn du in philosophischen Texten Anregungen für deine persönliche Antwort auf diese Fragen findest – wunderbar. Wenn nicht – auch recht. Dann such dir die Antworten anderswo.

Jedenfalls wünsche ich dir, dass du „Weisheit“ als ein wichtiges Lebensziel in deine Vorstellung vom Leben mit aufnimmst.

Darf ich zum Schluss noch einmal das Wort „alt“ aufnehmen? Es gibt in der Tat weise alte Menschen, Männer und Frauen. Es gibt sogar eine empirische Weisheitsforschung, die sich damit beschäftigt. Jedenfalls könnte ich als „Lebensziel“ auch für dich formulieren: Wenn du dich bemühst, Stück für Stück „weiser“ zu werden, dann bist du vielleicht einmal eine „weise alte Frau“. Allerdings – das hat sich ganz deutlich gezeigt – kann das niemand von sich selbst sagen, es sind stets die anderen, die jemanden so beschreiben, und zwar aufgrund der Erfahrungen, die sie mit ihm / mit ihr gemacht haben.

In gewissem Sinne sind wir alle „unterwegs zur Weisheit“ – hoffentlich.

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