Philosophische Fragen um den Tod

Eckart Ruschmann, 30.12.2019

Eckart Ruschmann
Eckart Ruschmann

Frage an den Philosophen Eckart Ruschmann:

„Ich möchte gerne das Seminar über Trauerbegleitung besuchen. Da sehe ich, dass u.a. auch Philosophische Fragen um den Tod Themen wie z.B. Nahtoderfahrungen, Jenseitsvorstellung und Spiritualität behandelt werden. Benötige ich dazu Vorkenntnisse aus der Philosophie oder kann ich das ohne jegliche diesbezügliche Vorkenntnisse besuchen? Ich möchte dazu sagen, dass mich diese Themen sehr beschäftigen, zumal meine Mutter erst kürzlich gestorben ist und mich ihr Tod sehr beschäftigt. Vielen Dank für Ihre Antwort (Christina, Absolventin SVEB I)“

Liebe Christina,

Es freut mich, dass du dich für das Thema „Trauerbegleitung“ interessierst. Viele Menschen vermeiden es ja eher, sich mit dem Bereich von Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen. Wenn dann ein nahestehender Mensch „geht“, ist es oft schwer, eine angemessene Form des Verhaltens zu finden, sei es mit dem Sterbenden selbst in seinem eigenen Prozess des Loslassens, sei es mit den Verwandten und Freunden, und in gleicher Weise im eigenen Umgehen mit dem Tod und der Trauer.

Ich habe mich gerne bereiterklärt, in dem geplanten Seminar über Trauerbegleitung philosophische Aspekt dieses Themas zu behandeln. Mir geht es dabei nicht darum, irgendwelche mehr oder weniger kluge Texte aus der langen Geschichte der Philosophie zu präsentieren. Das Thema „Tod“ hat Philosophen zu allen Zeiten beschäftigt, teilweise – gerade auch in unserer Zeit – ist es allerdings eher in den Hintergrund getreten. Nicht alles, was Philosophen dazu gesagt und geschrieben haben, ist für uns heute interessant und hilfreich. Jeder Mensch, gleich ob und wie intensiv er sich mit Philosophie beschäftigt hat, sollte sich allerdings auf irgendeine Weise mit diesem Thema befassen, allein schon deshalb, weil wir alle uns mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen müssen.

Mir geht es grundsätzlich - und entsprechend auch in dem geplanten Seminar – darum, mögliche „Optionen“ zu einem bestimmten Thema zu erfassen und zu reflektieren. Die meisten wichtigen Fragen, die das menschliche Leben betreffen (und das gilt in besonderer Weise für das Thema von Sterben und Tod) werden vor dem Hintergrund der eigenen, persönlichen Weltanschauung beantwortet. Deutlich ist – und darüber sind sich Philosophen prinzipiell einig – dass es keine „richtige“ Weltanschauung gibt. Weltanschauliche Hintergrundannahmen sind Theorien, sie dienen der Deutung von Erfahrungen und ebenso auch von empirischen Ergebnissen der verschiedenen Wissenschaften. Sie sind nicht ‚richtig‘ oder ‚falsch‘, sondern allenfalls mehr oder weniger angemessen zur Interpretation vorliegender „Befunde“, aus dem eigenen Leben oder aus dem, was wir von anderen hören und lesen.

Darum wird es in dem Seminar gehen. Zwei grundsätzliche Optionen gibt es für eine persönliche Weltanschauung, und sie schließen sich in gewisser Weise gegenseitig aus.

Wir können entweder davon ausgehen, dass das Leben auf dieser Erde durch Zufallsprozesse entstanden ist und keinerlei „Richtung“, geschweige denn „Sinn“ hat. Wir Menschen können unser Leben dann entweder als sinnlos empfinden oder ihm selbst einen Sinn geben, vor allem dadurch, dass wir uns aus unserem eigenen Ego hinausbewegen und uns in Beziehung setzen („Transzendierungs-Schritte“ vornehmen), zu anderen Menschen, oder auch zur Natur.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, davon auszugehen, dass es eine „tiefere“ bzw. „höhere“ Ebene des Seins gibt, die in letzter Hinsicht auch als Ursprung und „Urgrund“ alles Seienden verstanden werden kann. Welche Gestalt ein solcher „Transzendenz-Bezug“ annimmt, ob in der Form eines persönlichen Gottesbildes oder als eher unpersönliche transzendente Dimension oder Ebene, das kann sehr unterschiedlich erlebt und beschrieben werden. Dafür gibt es gerade auch in der Philosophie (und vergleichbar in den verschiedenen Religionen) ganz unterschiedliche Formen. Der Bezug zur Transzendenz (denkerisch, aber auch erfahrungsmäßig als „Transzendieren zur Transzendenz“) kann eine Sinn-Ressource erschließen, die auch in der Begegnung mit Sterben und Tod Sinn vermitteln und Trost geben kann.

Im Umgang mit Trauer ist es wichtig und hilfreich, sich auf die jeweils vorliegenden weltanschaulichen Hintergrundannahmen zu beziehen – zum einen sollte das Wissen um die eigenen Vorstellungen sehr bewusst sein, denn nur so kann man vermeiden, dem anderen etwas (als Trost Gemeintes) vermitteln zu wollen, was vielleicht ganz und gar nicht zu dessen eigener Weltsicht passt. Und zugleich ist man dann besser in der Lage, die Sinnressourcen, die dieser andere, trauernde Mensch hat, zu erschließen und für den Trauerprozess zu aktiveren und zugänglich zu machen.

Insofern ist meine Absicht und Hoffnung, dass die Teilnahme an diesem philosophischen Teil der Fortbildung zur Trauerbegleitung nicht nur hilfreich für die mögliche Anwendung in der Arbeit mit Trauernden ist, sondern auch die eigene Haltung zu Sterben und Tod auf eine bewusstere und reflektiertere Weise zugänglich macht, vielleicht sogar neue Perspektiven eröffnet.

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