Pingpong! Das Beziehungsspiel von Mann und Frau

Julia Onken und Mathias Jung, 27.12.2019

Mathias Jung / Julia Onken
Mathias Jung / Julia Onken

Die Beziehung zwischen Frau und Mann gleicht einem Tennisspiel. Wenn die Liebe gross ist, steht beiden Spielern ein grossräumiges Spielfeld zur Verfügung. Verliebte folgen beglückt dem reizvollen Austausch, dabei bilden erprobte Regeln den Rahmen für das aufregende Spiel von Angriff und List, Nähe und Distanz, Niederlage und Sieg. Nach einer schweisstreibenden Partie zwischen den Spielern steht die Freude über das schöne Match, die Anerkennung und Versöhnung im Händedruck über das Netz. Die Verheissung auf Revanche stiftet ein Gleichgewicht zwischen den ebenbürtigen Spielern.

Mit der Zeit verändert sich das. Der Alltag mit seinen vielen Aufgaben aller Art sorgt dafür, dass die Bälle einander nicht mehr so freundlich zugespielt werden und das Spiel unerwartet in einem verbissenen Match landet. Die Strategie ist auf beiden Seiten immer die gleiche: Jeder Angriff wird mit einer Revanche quittiert. Das führt dazu, dass die Schläge immer aggressiver zurückgespielt werden, das Spielfeld einem Schlachtfeld gleichsieht und irgendwann die Protagonisten ermattet in einem Gefühlsmassaker landen.

Die meisten Kränkungen, die sich Männer und Frauen gegenseitig in Beziehungen zufügen, erfolgen deshalb, weil sie viel zu wenig über einander und über ihre Denkmodelle wissen. Die Emanzipation hat zudem dazu beigetragen, dass sich noch mehr Verunsicherung breit macht und die Geschlechter sich nicht mehr verstehen. Die weibliche Art zu denken ist eine ganz andere, als die männliche. Daraus resultiert auch ein unterschiedliches Weltbild. Wenn es Paaren gelingt, in die Denkwelt der anderen Person Einblick zu erhalten, eröffnen sich völlig neue Perspektiven, die Verhalten, Reaktionen und Handlungen verständlich machen.

Zwei, die es wissen müssen. In ihrem gemeinsamen Buch "Liebes-Pingpong – Das Beziehungsspiel von Mann und Frau" sprechen sie über alles, worüber andere schweigen.

Mathias Jung:
Die Krone der Schöpfung – (schwierige) Liebeserklärung an den Mann

Der Mann muss seinen Kopf nicht bedecken, denn er ist Abbild und Abglanz Gottes. Doch die Frau ist der Abglanz des Mannes. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern sie von ihm. Und er ist nicht ihretwegen erschaffen worden, sondern umgekehrt. (Apostel Paulus 1 Korintherbrief 11,7-8)

„Du siehst schon an den beiden Zitaten, liebe Julia, die Sache mit dem Mann ist kompliziert. Der alte Mann ist tot, es lebe der neue Mann! Doch wo ist er zu sehen?

Männer gelten dem psychologischen Stereotyp nach als aggressiv, aktiv, autoritär, dominierend, entschlossen, erobernd, innovativ, konkurrierend, kraftvoll, kühn, mutig, selbstbehauptend und selbstsicher, aber auch dickköpfig, gefühlsarm, gewalttätig, großspurig, überheblich, uneinfühlsam und streitlustig. In der Presse kommen die Männer seit Jahren immer schlechter weg. Auf der Fotomontage einer Zeitung sah ich vier Abfallcontainer stehen. Die Aufschriften lauteten: „Papier“, „Braunglas“, „Weißglas“ – „Männer“.

Frauen werden dagegen beschrieben als abhängig, brav, emotional, geduldig, intuitiv, liebevoll, passiv, reizbar, sanft, sensibel, unehrgeizig, unterwürfig, unentschlossen, unlogisch und zärtlich, aber auch gehässig, geheimniskrämerisch, launig, oberflächlich, raffiniert, unzuverlässig, wankelmütig und weinerlich. Aus diesen widersprüchlichen femininen Attributen geben sich wiederum die Lobpreisungen und Schmähreden auf die Frau. Die Schauspielerin ZsaZsa Gabor meint: „Auch Gott lernt dazu. Man merkt das an den Verbesserungen bei der Erschaffung der Frau gegenüber der des Mannes.“ Das russische Sprichwort warnt jedoch: „Lieber noch unter dem Huf eines Pferdes als unter dem Absatz einer Frau.“

Ich bin gerne ein Mann. Ich liebe die leidenschaftliche Werkhingabe des Mannes. Ob ein Mann eine Blockhütte zimmert, das Badezimmer kachelt, mit dem Hängegleiter fliegt, seiner Tochter das Schlittschuhlaufen beibringt, eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, Leichtathletik betreibt, ein Lagerfeuer entfacht oder Überstunden bei einem Projekt seines Betriebes leistet – er tut es mit einer innigen Wertehingabe und stürmischen Verve, dass es eine Wonne ist. Er mault dabei nicht und ist nicht wehleidig, sondern gibt energetisch seine letzten Kraftreserven her. Ich merke das sogar bei meinen Selbsterfahrungsgruppen. Frauengruppen sind nicht so belastbar. Frauen rennen ständig auf die Toilette, fordern mehr Pausen und sind zu einer therapeutischen Arbeit in den späten Abendstunden schwer zu begeistern. Wenn Männer sich für eine Männergruppe entscheiden – und das fällt den meisten immer noch verdammt schwer -, dann krempeln sie die Ärmel hoch, lassen wenn es denn schon einmal sein muss, ihre Gefühle explodieren. Sie ackern bis kurz vor Mitternacht im Therapieraum daran, ihren Seelenmüll endlich zu entsorgen. Anschließend trinken sie noch einen Absacker und treten am anderen Morgen fröhlich und energiegeladen wieder zur Fortführung ihrer Seelenreise an.

Männer können herrlich verspielte kleine Jungen sein. Sie finden zusammen zu gemeinsamen Projekten vom Hausbau bis zum Hängegleiterfliegen. Sie sind in der Beziehung weniger nachtragend als Frauen. Sie besitzen nicht das grausame weibliche Elefantengedächtnis. Zwar verzeiht eine Frau vieles, aber sie erinnert den Mann doch penetrant häufig daran, dass sie ihm verziehen hat. Ich mag an Männern, dass sie meist unverblümt und geradeheraus sind, weniger intrigieren und zicken als Frauen. Ich liebe ihre körperliche Kraft und, verzeih liebe Julia, bockhafte Sinnlichkeit, weil er Ausdruck ihrer phallischen Lebensfreude ist. Besonders schätze ich die handwerkliche und die intellektuelle Neugier vieler Männer. Sie lesen Zeitungen, informieren sich über das Fernsehen und engagieren sich politisch, was vielen Frauen mit ihrer undifferenzierten Politikfeindschaft abgeht. Kurz, ich liebe die Energie der Männer. Was in ihnen an Begeisterungsfähigkeit, Charme, Einfühlungsgabe, Phantasie und Zärtlichkeit steckt, das beweisen sie, wenn sie voller Leidenschaft um eine Frau werben; leider degenerieren sie später oft zu erotischen Sozialfällen.

Tatsächlich sind bereits die männlichen Embryos und die Föten weniger widerstandsfähig als die weiblichen. Noch im ersten Lebensjahr ist die Säuglingssterblichkeit bei Jungen höher als bei Mädchen. Später ist die Gewalt an den Schulen die Gewalt der Jungen, nicht die der Mädchen. Jungen haben größere disziplinarische Schwierigkeiten in der Schule und in der Familie. Das Fehlverhalten und die Selbstgefährdung setzen sich im erwachsenen Männerleben fort. Der Züricher Psychiatrieprofessor Jules Angst untersucht in einer Langzeitstudie seit 1979 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte sechshundert Frauen und Männer. In der Altersgruppe von zwanzig bis vierzig Jahren ermittelte er folgende Unterschiede zwischen Frauen und Männern: „Bei Depressionen, Angststörungen, Panikattacken oder Phobien sind die Frauen überproportional oft vertreten. Bei Suchtkrankheiten sind dagegen die Männer eindeutig überrepräsentiert. Alkohol oder Drogen tauchen bei Männern drei Mal häufiger auf als bei Frauen. Und auch die Persönlichkeitsstörungen und sozialen Störungen, die sich häufig in Gewalttätigkeit äußern, sind eindeutig ein Männerproblem.“

Männliche Aggression wendet sich nicht zuletzt gegen sich selbst. Frauen unternehmen nach der Züricher Studie doppelt so viel Suizidversuche als Männer, aber doppelt so viele Männer als Frauen bringen sich tatsächlich um. Auch die Methoden des Selbstmords unterscheiden sich gravierend: Frauen schlucken Tabletten, Männer erschießen sich, stürzen sich aus dem Fenster oder erhängen sich. Der Psychiater Angst schlussfolgert: „Darin zeigt sich die größere Zerstörungsbereitschaft des Mannes, auch gegen sich selbst. Um sich umzubringen, braucht man eine gewisse Aggression: Aggressive Männer machen auch eher schwere Verkehrsunfälle. Ich habe viele Motorradfahrer gesehen, die hatten Oberschenkelfrakturen, Nervenschädigungen, drei, vier, fünf Gehirnerschütterungen und hatten immer noch nicht genug. Das sind diese selbstschädigenden Tendenzen beim Mann. Und sehr viele Selbstmörder, das kann Ihnen jeder Gerichtsmediziner sagen, haben Alkohol im Blut. Würden sie in der Ausnüchterungszelle landen statt auf dem Hochhausdach – manche hätten sicher noch ein langes Leben vor sich.“

Männer verbergen sich hinter der Fassade ihrer Großspurigkeit. Der Alkohol ist die favorisierte Droge, um ihre Schwäche nicht zu spüren. Der Schweizer Wissenschaftler analysiert: „Alkohol wird von Männern außerordentlich häufig konsumiert, um mit Stress oder Angst fertig zu werden. Schätzungsweise hinter jedem dritten Alkoholiker verbirgt sich ein depressiver Mann. Der Wunsch, nichts mehr spüren zu müssen, sich zu betäuben erhöht die Suchtbereitschaft. Aber Alkoholkonsum wird auch in den Männerbünden erlernt. Dort geht es darum zu zeigen, dass man schmerztolerant ist, sein Leiden nicht offenbart. Stattdessen machen die ihre Initiationsriten, suchen Kompensation, zum Beispiel im Sport, und dann gehen sie noch ins Wirtshaus und trinken mit den Kameraden … Männer haben eine stärkere Tendenz zum Verdrängen.“

Jules Angst erkennt die Ambivalenz des Mannes: „Das männliche Geschlecht ist das Verletzliche. Zwar sind die Gehirne der Männer größer als die der Frauen, aber … das ist ein Relikt der Evolution. Er dient lediglich dazu, die größere Muskelmasse zu bewegen. Die Männer haben eine höhere Sterblichkeit, höhere Unfallgefährdung durch ihre Risikobereitschaft.“ Der Wissenschaftler betont jedoch: „Aber ihre Aggression hat schließlich auch positive Seiten: Man wagt etwas, begibt sich auf Neuland, geht auf Entdeckungen und Eroberungen. In der Stammesgeschichte der Menschheit hat das eine große Rolle gespielt.“

Das Katastrophenbild des Mannes wird in den letzten Jahren gemildert. Den Mann gibt es nicht. Die Männer unterscheiden sich in der Frage der Geschlechterdemokratie und Emanzipation in zwei große Lager: das Großbürgertum und die Männer der Unterschichten und Hilfsarbeiter stellen sich zähneknirschend gegen die Veränderung der Geschlechterrollen, ohne die soziale und psychologische Neupositionierung der Frauen allerdings grundsätzlich aufhalten zu können. Die Männer der Mittelschicht, liiert mit emanzipierten, berufs- und bildungsstarken Frauen, öffnen sich der Gleichberechtigung. Der Männerforscher Walter Hollstein macht dies (in Potentwerden – das Handbuch der Männer, Göttingen 2001) an sechs Veränderungen fest:

  1. „Das Frauenbild der Männer hat sich demokratisiert; Frauen werden als gleichwertig und gleichberechtigt angesehen. Eine Mehrheit von Männern begrüßt inzwischen die Frauenemanzipation.
  2. Die klassische Doppelmoral der Männer, sich Freiheiten zu nehmen, die sie ihren Frauen nicht zu geben bereit sind, gehört verflossenen Zeiten an.
  3. Zunehmend erkennen Männer die Verengung unserer Männerrolle und versuchen, sie – zumindest privat – zu erweitern. Männer geben an, gefühlsvoller, kooperativer und demokratischer geworden zu sein.
  4. Väter beteiligen sich stärker an der Kindererziehung. Allerdings beschränken sie sich hier auf die angenehmen Tätigkeiten des Spielens, Erzählens und Wanderns und meiden Pflege, Ernähren und Sauberhalten.
  5. Männer unter vierzig Jahren sind autark geworden; sie können putzen, kochen, waschen und sogar nähen. Freilich nutzen sie im gemeinsamen Haushalt nur einen Bruchteil ihrer Fähigkeiten.
  6. Eine Minderheit von Männern versucht in Männerfreundschaften, Männergruppen und Männerzentren eine neue Männerwelt ohne Feindschaft und Angst aufzubauen.“

Der Philosoph und Theologe Paul Tillich (zitiert nach Sam Kien, Feuer im Bauch. Über das Mann-Sein, Bergisch Gladbach 1992) mahnte: „Jeder, der ernstlich nachdenkt, muss sich zwei grundlegende Fragen stellen und seine Antwort darauf finden. Erstens: Was stimmt nicht mit uns? Was fehlt den Männern? Was ist mit den Frauen nicht in Ordnung? In welcher Hinsicht sind wir entfremdet? Was ist unsere Krankheit, unsere Un-Rast? Zweitens: Wie wären wir, wenn wir geheilt und ganz wären? Wenn wir uns verwirklicht hätten? Wenn wir unser Potenzial erfüllt hätten? Drittens: „Wie kommen wir aus unserer Gebrochenheit zur Ganzheit? Wodurch können wir heil werden?

Tja, liebe Julia, jetzt bist Du dran: Was ist mit den Frauen nicht in Ordnung?“

 

Julia Onken kontert im nächsten Beitrag

Prinzessin auf der Erbse oder Gänsemagd: 

Dein Aufschlag ist geglückt, lieber Mathias. Du eröffnest das Spiel, präzis, zielgenau aber fair. Ich antworte Dir mit einem Mondball. Diesen Ball schlagen wir Frauen hoch, damit der Gegner gezwungen wird, an der Grundlinie zu bleiben oder gar hinter der Grundlinie zu stehen........“

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