Brigitte Bartholet , 25.07.2019
Ein
unscheinbarer Dreizeiler. Zuhinterst in einer Gratiszeitung. Beinahe unleserlich
klein, wenige Worte: «Groenendael-Welpe abzugeben - Belgischer Schäferhund - Platz
vor Preis». So wurde mein Traum wahr, endlich.
Liebe Sachiko, ich wusste, dass du mich irgendwann finden würdest. Dein Name – japanisch für «glückliches Mädchen» - hatte ich deshalb schon Jahre zuvor für dich ausgesucht.
So, wie du warst. Es war dein weiser, treuer und liebevoller Blick, aber auch der verspielt neugierige Schalk in deinen bernsteinfarbenen Augen. Dieser Erste und unzählige weitere Augenblicke und viele Nasenstupser, welche du mir geschenkt hast. Schon als kleiner Welpe bist du wild rumgeflitzt und hast auf dem Hof die Hühner zum Flattern, die Katzen zum Fauchen, Vasen und sogar Stühle zu Fall gebracht. Bei meinem ersten Besuch hast du, kleiner Wollknäuel, dich vertrauensvoll auf meinen Füssen zusammengerollt und selig geschlafen. Ah ja, dein kugeliges rosa Bäuchlein durfte ich auch kraulen: so vertraut, wie wenn wir uns schon immer gekannt hätten.
Intuitiv spürte ich, dass Freiheit dein grösster Wunsch an mich war. Du hast mir dafür in jedem Moment den ehrlichen Spiegel vorgehalten und es mir mit grenzenlosem Vertrauen gedankt. Erinnerst du dich? Frühmorgens sind wir los. Mit Bus und Bahn nach Zürich, durch den lauten HB über Rolltreppen, mit Lift und Tram durch die riesige Menschenmenge. Von der hektischen Bahnhofstrasse um das wuselige Seebecken – ohne Halsband, ohne Leine! Ich war unendlich stolz und wusste, du wirst immer frei sein dürfen.
So,
wie du warst. Wild, wölfisch, schlau und geschickt - sind wir unzählige Stunden
in unserem grossen Revier umhergestreift. Kein Ast war dir zu gross, um zu apportieren.
Fliegenden Bällen oder neugierigen Katzen nachzujagen, deine grosse Leidenschaft.
Dein vorwurfsvoller Blick, wenn der Ball mangels meiner Wurftechnik hoch oben
in den Bäumen hängen oder im Tiefschnee verschollen blieb. Vorwärts- und rückwärts
balancieren auf liegenden Baumstämmen hatten wir genau so drauf, wie über Flüsse
und Seen zu schwimmen und auf Berge zu kraxeln. Mit dir habe ich Zeit und Raum
vergessen, meine Alltagsprobleme sowieso. Mit dir konnte ich unbeschwert
spielen und glücklich sein, was ich als kleines Mädchen nie gelernt habe.
Du konntest auch gefährlich knurrend deine schneeweissen Fänger fletschen, wenn dich streitlustige Artgenossen herausforderten oder mir jemand zu nah kam. Dagegen genügte ein leises Wimmern aus einem Kinderwagen oder ein trauriges Kindergesicht. Sofort warst du da und hast mit einem Stupser getröstet und viele Tränen zärtlich getrocknet.
Du durftest einfach Hund sein und deine Jagdinstinkte bei Mäusen und Murmeltieren ausleben. Erstaunlich, wie geschickt du die Tiere mit einem Genickbiss erlöst hast. Berührend, deine sensible Seite: wie vorsichtig du Schmetterlinge auf Sommerblumen sanft angestupst hast. Von dir lernte ich viel über die Gesetze der Natur.
Mystisch glänzte dein tiefschwarzes, langes Fell. Dein feiner Kopf, umrahmt von einem löwenähnlich buschigen Kragen. Deine gespitzten Ohren mit wachem Blick aus bernsteinfarbenen Augen, unter hübschen Wimpern. Meditation, wenn ich an dich, deine innere und äussere Schönheit denke und geistig dein seidiges Fell kraule. Klarheit, Achtsamkeit, danke, dass du mir das gezeigt hast.
Berührend
und würdevoll der Moment, als du ganz frei beschlossen hast, dein neues Revier im
Hundehimmel zu erobern. Sachiko, du hast das so herzvoll gemacht.
So, wie du bist. Dein letzter bernsteinfarbene Augenblick, dein letzter tiefer Atemzug. Am Tag der Sonnenwende habe ich die Asche deines edlen Körpers an unserem Lieblingsplatz den Elementen zurückgegeben. Ich bin oft in unserem irdischen Revier unterwegs, deine Spuren sind unvergänglich, in vielen Herzen ist dein Pfotenabdruck eingraviert.
Und immer wieder zwinkern wir uns zu, dann spielen wir – glücklichen Mädchen – mit unserem bernsteinfarbenen Sternenstaubbällchen.