Schreibcafé: ein bewährtes Konzept unter neuer Leitung

Patricia Andrighetto, 11.01.2023

Patricia Andrighetto
Patricia Andrighetto

Die erwachende oder bereits unbändige Lust am Schreiben ausleben, eigene Texte mit anderen Menschen teilen, Erfahrungen mit Gleichgesinnten austauschen, den Luxus einer kurzen, kreativen Auszeit geniessen und dabei gleichzeitig wertvolle Impulse zurück ins eigene Leben nehmen: Die Liste der Überlegungen, die im Juli 2021 zur Gründung des FSB-Schreibcafés – initiiert durch das Julia Onken Online-Denkforum – geführt haben, ist bei Weitem nicht vollständig. Gute Gründe, weshalb es ein solches braucht, gesellen sich fortlaufend hinzu – mit jeder einzelnen Teilnehmerin, jedem einzelnen Teilnehmer. Seit Kurzem werden diese von einer neuen Gastgeberin willkommen geheissen. Monika Marti, die erste Leiterin dieser kreativen Onlineplattform, hat den «Schlüssel» zum Schreibcafé weitergereicht. Neue «Barista» ist ab 2023 Helene Inderbitzin, die diesen Donnerstag (12. Januar 2023) zum ersten Mal Teilnehmerinnen und Teilnehmer im virtuellen Schreiblokal begrüsst.

Beide Frauen sind keine Unbekannten in der Schreibszene und mit dem FSB seit vielen Jahren eng verbunden. Im Gespräch lässt Monika Marti die Gründungszeit und die ersten 1.5 Jahre Revue passieren. Helene Inderbitzin stimmt im zweiten Teil auf die vielversprechende Fortsetzungsgeschichte des Schreibcafés ein.


Monika Marti

Gespräch mit Monika Marti: 
«Was wir in Worte fassen, nimmt Gestalt an»

Monika, du hast das Online-Schreibcafé in den vergangenen 1.5 Jahren aufgebaut. Weshalb braucht es diese Plattform?

Monika Marti: Übergeordnet formuliert ist es das Ziel, die Freude und Begeisterung am persönlichen Schreiben zu wecken bzw. zu fördern.

Wenn wir einen Schritt weitergehen, stellen wir fest, dass die Kraft des geschriebenen – aber auch des gesprochenen Wortes – immens ist. Was wir in Worte fassen, nimmt Gestalt an. Beim Schreiben entdecken wir uns selber, kommen uns oft unerwartet nah.

Wer geschriebene Gedanken und Gefühle mit anderen teilt, macht sich verletzlich; das braucht Mut. Wenn ich selber schreibe, ist mir alles klar; Hintergründiges im Text ist mir vertraut. Wenn andere mir beim Vorlesen meiner Texte zuhören, werden Gedankenlücken offenbar.

Es geht daher auch darum, Vertrauen zu sich selber und zu anderen Menschen zu entwickeln. In der Tiefe stellt Schreiben also auch eine ganz praktische Lebenshilfe dar.

Du hast das Schreibcafé seit seiner Gründung geführt. Welche besonderen Eindrücke sind dir in den vergangenen 1.5 Jahren haften geblieben?

Monika Marti: Mich berührt insbesondere die Offenheit, die zwischen mir und unter den Teilnehmenden gewachsen ist. Erst fielen die Rückmeldungen zu den Texten eher zaghaft aus. Mit der Zeit wurde man mutiger, hat verstanden, dass wertschätzende Anregungen von Zuhörerinnen den eigenen Schreibstil verfeinern und ergänzen.

Beeindruckt hat mich aber auch immer wieder die Sichtweise, die von den Teilnehmenden eingebracht wird. Ein Beispiel dazu: Eine Teilnehmerin hat über den Blick in den Spiegel geschrieben, also, wie ich mich dabei fühle und wahrnehme, wenn ich selber in den Spiegel schaue. Eine weitere Schreiberin hat angeregt, den Text aus der Sicht des Spiegelbilds auf mich selber zu schreiben. Auf diese Weise ergibt sich eine völlig neue Perspektive. Erfahrungen, die ich immer wieder machen durfte.

Das Schreibcafé als Online-Format aufzubauen, gehört wohl ebenfalls zu diesen nachhaltigen Erfahrungen?

Monika Marti: Definitiv! Ein Prozess, der mich gefordert und gefördert hat.

Gerade auch der Umgang mit der Technik war zu Beginn eine grosse Herausforderung für mich. Ich habe mich richtiggehend vor Problemen mit dem Link, dem Video, etc. gefürchtet. Mit der Zeit habe ich Vertrauen entwickelt, mich mit dem Medium wohlzufühlen begonnen und mich gefreut, diesen Raum erschliessen zu können.

Nun erschliesst du wieder neue Räume: Per Ende des vergangenen Jahres hast du die Leitung des Schreibcafés abgegeben. Welche Überlegungen haben dazu geführt?

Monika Marti: Das hat verschiedene Gründe. Einerseits haben sich neue Aufgabenfelder aufgetan; dazu gehört die Kursleitung am FSB sowie neu gemeinsame Kurse mit der Mitmieterin der von mir gegründeten Wortbörse in Romanshorn. Andererseits plane ich, meine eigene Lebensgeschichte in einem Buch zu verarbeiten.

Seit vier Jahren hecke ich Ideen aus, um biografische und kreative Schreibnachmittage abwechslungsreich zu gestalten, stehe sozusagen an der Front.

Ich habe gelernt «mich zu zeigen», wahrgenommen zu werden, mir etwas zuzutrauen, meine Ideen und meine Überzeugung andern zuzumuten. Eine wunderbare Erfahrung. Das hat mich aber gleichzeitig auch etwas müde gemacht. Ich verspüre nach Jahren des schöpferischen Gestaltens den Wunsch, mir 2023 vermehrt persönlichen Freiraum zu gönnen.

Und schliesslich noch ein Wort an deine Nachfolgerin:

Ich bin der Auffassung, dass neue Gesichter grundsätzlich jedem Projekt guttun. Das Risiko, dass etwas in Routine verfällt, wird kleiner. Eine neue Leitung bringt neue Begeisterung, neue Erfahrungen und neue Ideen ein.

Ich freue mich sehr, dass Helene Inderbitzin die Leitung des Online-Cafés übernimmt.

Sie darf sich auf einen intensiven, offenen und überraschenden Austausch mit Schreibenden freuen.

Über Monika Marti

Monika Marti *(11.4.1964) ist verheiratet, Mutter von drei erwachsenen Kindern und Grossmutter. Die gelernte Kauffrau ist Mitinhaberin und Geschäftsleiterin eines Elektrogeschäfts. 2019 gründete sie die Wortbörse in Romanshorn (www.wortboerse.ch). Monika Marti hat am FSB die Aus- und Weiterbildungen «Biografisches Schreiben», «Psychosoziale Beraterin», «Biografie-Schreibpädagogin» und das Trauma-Seminar absolviert und besucht derzeit eine Weiterbildung im Bereich Körperintuition/Focusing. Seit 2022 wirkt sie am FSB im Lehrgang «Grundlagen Kommunikation» assistierend mit und ist künftig als Kursleiterin für den Grundlagenlehrgang «Psychosoziale Beraterin» engagiert.


Helene Inderbitzin

Gespräch mit Helene Inderbitzin:
«Ich freue mich auf ein wertschätzendes Miteinander»

Helene, du hast Anfang Jahr die Leitung des Schreibcafés übernommen. Herzliche Gratulation zur neuen Aufgabe. An Engagements und Aktivitäten fehlt es in deinem Leben allerdings nicht. Deine Überlegungen zu diesem Schritt müssen, das schlussfolgere ich, viel mit persönlicher Motivation und Leidenschaft zu tun haben.

Helene Inderbitzin:Du schlussfolgerst richtig. Langeweile kenne ich tatsächlich nicht. Aber da ich mit Leib und Seele Kursleiterin bin, freut es mich, mit Menschen, welchen Schreiben ebenfalls viel bedeutet, im Austausch zu sein und von ihnen zu lernen. Online ist eine gute Möglichkeit, Menschen aus verschiedenen Regionen im gleichen «Kursraum» zu versammeln.

Meine Kreativität und mein Wissen werde ich mit viel Hingabe in diese Abende einbringen.

Nur, schreiben kann man ja auch problemlos alleine. Weshalb sich also einer Gruppe anschliessen?

Helene Inderbitzin: Der regelmässige Austausch in der Gruppe motiviert die Teilnehmenden zum Schreiben, was sonst allzu leicht im hektischen Alltag untergeht. Auch hier gilt: Wenn man ein Ziel hat, erreicht man es auch. Selbst wenn das Schreibcafé «nur» einmal monatlich stattfindet – jeden 2. Donnerstag im Monat übrigens –, kann es zu einem Fixpunkt in unserer Agenda werden; einer, der motiviert, dranzubleiben.

Du hast kürzlich die Ausbildung zur diplomierten Schreibpädagogin am FSB abgeschlossen. Eine wichtige deiner zahlreichen Qualifikationen, die dich zur neuen Aufgabe geradezu prädestinieren. Wo liegt dein ganz persönlicher Bezug zur schriftlichen Ausdrucksweise?

Helene Inderbitzin:Für mich bedeutet Schreiben seit jeher eine Auseinandersetzung mit mir selbst, mit meinem Umfeld und vor allem birgt es die Chance in sich, reflektiert meine eigenen Gefühle, Gedanken und Handlungsweisen zu hinterfragen und allenfalls anzupassen.

Monika Marti hat das Schreibcafé von dessen Gründung an geführt und geprägt. Du wirst deine eigene Signatur einbringen. In welcher Weise wirst du das tun?

Helene Inderbitzin: Veränderungen werden sich von allein einstellen, da ich mich selber mit meiner Unterschiedlichkeit einbringe. Grundsätzlich wird das Schreibcafé im bisherigen Stil weitergeführt. Es wird – ausgenommen während der Sommer- und Winterpausen – einmal pro Monat stattfinden, sofern mindestens drei Anmeldungen für den entsprechenden Kursabend vorliegen. Das Hauptanliegen wird nach wie vor sein, dass wir uns gegenseitig Texte vorlesen und uns Feedbacks geben.

Gut vorstellen kann ich mir, künftig jedes Schreibcafé unter ein bestimmtes Thema zu stellen. So habe ich etwa für den ersten Kursabend am 12. Januar den Begriff «Zeit» ausgewählt. Die Teilnehmenden erhalten dazu schon im Voraus ein Gedicht und einige Fragen und Anregungen.

Selbstverständlich werde ich auch Inputs der Schreibenden aufnehmen und einbeziehen. Spontane und kreative Methoden und Ideen werden viel Platz haben. Immerhin schreibt das Leben die schönsten Geschichten.

Wenn du Themen erwähnst, die du über die einzelnen Schreibcafés zu stellen gedenkst: Wo wirst du die Schwerpunkte setzen?

Helene Inderbitzin: Themen gibt es so viele: kreative, biografische, aktuelle. Ich lasse mich jeweils von meinen Eingebungen leiten, welche ich unter Umständen bei einem Spaziergang in der Natur, auf einer Reise, beim Lesen eines guten Buches oder beim Beobachten von Menschen und Tieren in ihrem Alltag erhalte. Es wird ein Kunterbunt werden, wie das echte Leben. Theorien über das Schreiben werden die Teilnehmenden bei mir wohl nicht allzu oft erhalten.

Was möchtest du den Teilnehmenden stattdessen in den Schreibcafés vermitteln?

Es ist mir wichtig, dass jeder und jede seinem bzw. ihrem Stil treu bleibt und nicht jeder Text, der von Herzen kommt, endlos auseinandergenommen wird, bis er eigentlich nicht mehr das aussagt, was für den/die Betreffende/n wichtig ist.

Dazu eine ganz persönliche Erfahrung: Meine Safari-Reise durch Botswana im vergangenen Dezember habe ich zum Anlass genommen, den Tod meiner Mutter schreibend zu verarbeiten. Es sind für mich erstaunliche Erkenntnisse zutage getreten, obwohl – oder vielleicht gerade – weil ich ohne auf die Wortwahl zu achten, einfach drauflos geschrieben habe.

Schreiben kann auch direkt in unser Unterbewusstes eingreifen und jede Einmischung von aussen ist somit völlig fehl am Platz und kann sogar schädigend sein.

Worauf freust du dich als Leiterin des Schreibcafés besonders?

Auf das Miteinander und das gegenseitige Kennenlernen.

Und worauf können sich die Teilnehmenden unter deiner Leitung freuen?

Auf ein wertschätzendes Miteinander und auf vielseitige Methoden und kreative Umsetzungen. Sie dürfen neugierig sein und zu neuen Ufern aufbrechen.

Über Helene Inderbitzin

Erfahrungen in der Kursleitung kann die diplomierte Schreibpädagogin Helene Inderbitzin (*11.9.1952) hinlänglich vorweisen: Als HR Consultant mit einem Fachausweis als Coach bringt sie unter anderem langjährige Erfahrung im Bereich Bewerbungscoaching, als selbstständige Seminarleiterin (in-seminare.ch) und als Dozentin für Handelsfächer auf Stufe Handelsdiplom und HWD mit. Sie leitet die von ihr initiierten Schreibseminare «ZeitRAUM im Schloss», organisiert regelmässig Reisen ins Ausland und steht derzeit mitten in der Weiterbildung «Schreiben als Selbsttherapie» am FSB. Helene Inderbitzin ist Mutter von vier erwachsenen Kindern und Grossmutter von sechs Enkelkindern.

Über das Schreibcafé:

Das Schreibcafé findet jeden 2. Donnerstag im Monat von 19 bis 21 Uhr als Zoom-Veranstaltung statt und eignet sich für alle, die gerne schreiben und herausfinden möchten,

wie ihre Texte verstanden werden, aber auch für jene Schreibenden, die daran interessiert sind, ihre Texte zu verfeinern. Der schriftliche Charakter des Schreibcafés wird ergänzt durch Gesprächsrunden.

Anmeldung: hlnndrbtznblwnch

Interview: Patricia Andrighetto

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