Simone Buser - Sommerlicher Platzregen

Simone Buser, 31.01.2020

Siomone Buser
Siomone Buser

 Stellen Sie sich jung vor. Sie feiern in ausgelassener Runde in einem altherrschaftlichen Gasthaus. Zu vorgerückter Stunde suchen Sie in der Damentoilette den Spiegel, der halbblind viel zu weit oben hängt. Beherzt hieven Sie ein Knie auf den Waschbeckenrand und recken, den Oberkörper gestreckt, wenigstens die Augenpartie in den unteren Rand des Glases. Und da passiert‘s. Die Dübel lösen sich aus der Verankerung und während Ihre Hände das glattkalte Material so fest umklammern, dass die Knöchel weiss hervortreten, donnern Sie unter Gepolter an die gegenüberliegende Wand.

Wie vom sommerlichen Platzregen überrascht, stehen wir immer wieder verblüfft in einer Szene, die selbst unsere Fantasie so nie choreographiert hätte. Da sehe ich aus heiterem Himmel meine Unterhose auf der Strasse liegen. Irgendwie ist sie beim Abstrampeln in einer der Hosenröhren steckengeblieben und hat dann wohl tags darauf, durch meinen wackeren Alltagsschritt, den Weg in die Umgebung geschafft.

Vergessen werde ich den Italiener nie, dem ich das edle Olivenöl gleich in einer grösseren Aktionsmenge abkaufte. Mitten in der Einkaufspassage riss meine Papiertasche und die wertvolle grünliche Pracht ergoss sich literweise auf den Asphalt. Mit einem Pulsschlag bis zu den Ohren, tauchte ich im selben Augenblick in hektisches Agieren ab. Das Ausmass der Peinlichkeit schwante mir, als ich den Kopf hob. Da scharten sich die Schaulustigen um mich. Verwöhnt von all den Strassenkünstlern, begannen sie mich anzufeuern, entschlossen, die Krönung meiner Performance nicht zu verpassen.

Jedes Leben strotzt vor solchen Episoden. Einmal marschierte mein Geschichtslehrer mit dem übervollen Kehrrichtsack in der Hand am Hauscontainer vorbei durchs Dorf, bis über die Schwelle des Klassenzimmers. Zu lernen gibt es nichts, denn das freche, hinterlistige Pannenvirus verändert laufend seine Struktur. Sind die kleinen Ausreisser nicht auch erfrischende Farbtupfer in unserem Alltag und tausendfach willkommener, als ein einziger grosser Klecks?

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