Theodora Kostyal: Hellblaue Omaslips in 5-er Packung

Theodora Kostyal, 30.01.2020

Theodora Kostyal
Theodora Kostyal

Ein bescheidenes Auto (Kaminfeger - Modell), Hitze und ein verlockend kühler See. Vielleicht nur 10 bis 15 Minuten lang im Wasser (doch zu kalt), schon ausgeraubt. Offenbar zu früh zurück, die Klamotten sind geblieben, den Freibeutern hat es nicht gereicht, tiefer zu graben, und auch weiter unten, in den Abgründen der eingebauten Holzbretter, herumzuwühlen. Nur die obere Schicht ist abgeräumt, Bücher und vorsorglich versteckte Kamera inklusive. (Ob der auf Ungarisch geschriebene Reiseführer beim Lesen Freude bereitet hat?)

Was also tun? Auf das Abkühlen verzichten? Oder hätten wir -ängstlich oder schlau- abwechslungsweise Schmiere stehen und uns selber des gemeinsamen Plausches berauben sollen?

Schadenmeldung bei der Polizei: Wir ernten nur Schulterzucken.

Die paar Hundert Kilometer Richtung Schweiz werden mit flatternder Plastikplane und beschränkter Sicht gefahren, da kein Garagist am Wochenende bereit ist, den Schaden zu beheben.

Normandie, viele Jahre später.

Auf dem Parkplatz Auto an Auto abgestellt, reger Verkehr, wie auf Ameisenstrassen. Kann also nichts passieren. Nach einem Museumsbesuch das Staunen: Da diesmal länger abwesend, alles entwendet, sogar meine Tagebücher und die Dokumentationen über den Wandteppich vom Bayeux. Immerhin sind noch ID, Geld, Kreditkarten und Kamera vorhanden, da im Tagesrucksack bzw. am Leib getragen.

Der Routinebesuch bei der Polizei, um wenigstens für die Versicherung etwas in der Hand zu haben, dauert und dauert. Der Sommertag neigt sich, wir sind vom Hunger geplagt und ausgelaugt.  

Als grosse Herausforderung erweist sich, in der Pampa den letzten noch offenen Supermarché in der Abenddämmerung zu finden und ihn nach Ersatzwäsche, Hygieneartikeln und Essbarem zu durchstöbern. Die Beute ist mager. Mein Outfit nach der Tour: ziegelrotes China T-Shirt, dicke Hochwasserhosen von zweifelhafter Qualität (die einzig vorhandenen), Omaslips (nur in hellblau und 5-er Packung erhältlich).

Auf den Kauf eines BHs verzichte ich...

Leicht wie noch nie, lediglich mit raschelnden Plastiksäcken beladen, treffen wir im Hotel ein. Man schielt abwechslungsweise auf die Säcke und auf uns.

Am nächsten Morgen, nach nur 4 Ferientagen und mit eingeschlagener Scheibe, geht es wieder zurück in die Schweiz.

Wie klug bin ich durch diesen doppelten Schaden geworden?

Nach dem ersten Vorfall offenbar gar nicht. Sondern eher unbelehrbar dumm geblieben, naiv könnte ich auch sagen - oder voller Vertrauen: tönt noch schöner. Sonst hätte ja der Weg nicht wieder nach Frankreich geführt. Und erst recht nicht erneut in einem mit CH-Kleber versehenen Auto. (Immerhin sind 24 Jahren zwischen den zwei Reisen vergangen.)

Und wie sieht es aus mit der Klugheit nach dem zweiten Mal?

Eines steht fest: Keine motorisierte Reise mehr nach Frankreich, oder höchstens mit einem lokal registrierten Traktor oder mit einem sonstigen offenen Verkehrsmittel ohne Scheiben. Dafür mit Kopfbedeckung, die man gegebenenfalls auch als Nachthemd im Hotel (falls nicht auch Geld und Karten weg sind) und als Jupe am anderen Tag verwenden kann.

Zwecks Schadenbegrenzung schon zu Hause die erforderliche Bekleidung besorgen (Billigware aus Asien).

Gar nicht gehen.

Unbelehrbar und gutgläubig, wie ich bin, gebe ich die Hoffnung nicht auf.

Wer weiss, vielleicht sind in der Zwischenzeit meine Tagebücher schon in französischer Übersetzung erschienen... und es wird seither fieberhaft und vergeblich nach der Autorin gesucht.

Ein Grund, wieder nach Frankreich zu reisen (und den Prix Goncourt entgegen zu nehmen).

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