Vivat femina

Dora Kostyal, 02.10.2019

Dora Kostyal
Dora Kostyal

Wieder eine Diskussion, vordergründig um einen Namen. Anlass: Ein kürzlich erschienener Artikel über die Vulva. Informativ. Reich bebildert. Anregend. Die Debatte ist zu begrüssen, da besser als schweigen oder verteufeln.Sie bedeutet auch, aus der Selbstverständlichkeit der elterlichen und/oder gesellschaftlichen Verlogenheit auszubrechen und über Abhängigkeiten, Fremdbestimmung und Ausgeliefert-Sein nachzudenken. Unter anderem wird über die fragwürdige Bezeichnung „Scham“ (auch weibliche Scham genannt) diskutiert. Dazu eine Ergänzung, als leise Frage:

Könnte es zutreffen, dass hinter dieser jahrhundertelang gebrauchten Bezeichnung AUCH gewisse nicht bewusste oder nicht eingestandene Inhalte stecken? Dass die „weibliche Scham“ einen Grund hat? Zum Beispiel, dass Frauen – ob fremdbestimmt oder selbst verschuldet -nicht so handelten wie sie mochten, weil sie es nicht durften, sollten oder wollten, um Vorstellungen und Bildern zu entsprechen? Heute auch noch? Dass sie dadurch sich selbst verleugnet, verraten und verlassen haben? Ihrem Geschlecht, ihrem Wesen und ihren Schwestern untreu geworden sind?

In diesem Sinne ist „die Vulva zeigen“ gleich mit sich zeigen, sich zu ihrem eigenen Wesen bekennen, wenn auch auf einer rudimentären Stufe. Ein weiterer Schritt wäre Verantwortung für sich zu übernehmen, auf die innere Stimme, auf weibliche Intuition, bzw. Weisheit zu vertrauen. Und damit in die eigene Identität zu kommen.Anstatt durch Geschlechtsteile präsentierend protestieren, sich durch Auftreten, Geste, Entscheidungen und Handeln zeigen, in sich ruhend, aus ihrer Mitte heraus handelnd, schöpferisch.

Das weist auf mehr hin als eine nackte Vulva, ob rasiert oder nicht, die in diesem Kontext als hilfsloser Schrei oder Verzweiflung wirken kann: „Da bin ich, schaut mich an!“ und eher herausgerissen und reduzierend wirkt, also einmal mehr das Wasser auf wohlbekannte Mühlen leitet. Und damit sich selber das Wasser abgräbt.

Was die jungen Frauen betrifft: Es braucht doch wohl den Blick in den Spiegel. Nicht nur um sich „da unten“ zu erkunden, sondern auch die Schichten zu erkennen, bzw. abzukratzen, die uns der Schlamm vergangener Jahrhunderte aufgetragen hat. Die Maske abzureissen, die wir unterwürfig-ergeben getragen haben und zum Teil immer noch tragen.

Aber:

Solange Gewalt gegen Frauen gesellschaftlich akzeptiert/toleriert und als normal betrachtet wird (sogar von Frauen selbst),

Erpressung, Ausbeutung, Unterdrückung  und Misshandlung der Frauen alltäglich ist,

solange Frauen den Diktaten erlegen (früher Kirche, heute Sozial Media) und sich zwanghaft unterordnen,

solange ihnen das Recht auf Bildung und Selbstbestimmung, oder sogar auf das Leben abgesprochen wird,

solange sie mehr arbeiten aber weniger verdienen,

solange Femizid stattfindet und solange Frauen nicht genug Mut und Solidarität aufbringen, können sie sich nicht frei entfalten.

 Also doch vivat femina / viva la donna anstatt „Viva la Vulva“?

Ohne Reduktion auf weibliche Geschlechtsteile, ohne Beschneidung und Verstümmelung, auf welcher Art auch immer.

Als eine frei entfaltete Blume im Garten des vielfältigen Lebens. Oder eine ewig sprudelnde Quelle.

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