Von wegen Verzicht

Meta Zweifel, 25.03.2019

Meta Zweifel
Meta Zweifel

Was habe ich doch früher über „Damenkränzli“ gespottet! Über jene Mini-Frauen-Gruppen, deren geistiger Gesprächshorizont nicht grösser  zu sein schien als der Durchmesser einer Espresso-Tasse, und bei denen vor allem der Schulerfolg der Kinder und neue Anschaffungen im Haushalt zur Sprache kamen. Mittlerweile hat sich die Sachlage etwas geändert – auf jeden Fall bin ich immer hoch erfreut, wenn Mathilde, eine liebe alte Bekannte zu einem Drei-Frauen-Mittagessen einlädt. Zum Glück meint Mathilde nicht, ihre Gäste mit irgendwelchen kulinarischen Luftsprüngen beeindrucken zu müssen. Und so freuen wir uns immer auf ihren Brüsseler-Apfel-Salat und ihre wirklich weltbesten Bratkartöffelchen.

 Als Mathilde beim letzten Treffen zum Essen einen netten Rotwein anbot, winkte Annemarie freundlich ab: << Danke, aber ich bin mitten in meiner vorösterlichen Verzicht-Zeit und trinke erst an Ostern wieder das erste  Glas Wein. Aber bitte, stosst dennoch an und lasst euch den guten Wein schmecken!“ Annemaries Lächeln war alles andere als sauertöpfisch und machte deutlich: Es geht um mich, um meinen Entscheid und keinesfalls will ich euch missionieren.

Verzicht. Ein Begriff, der aus der Mode gekommen ist. Aber mit dem man sich ernsthaft befassen sollte, auch ausserhalb der ganzen Umwelt-Problematik, der Freitag-Schülerdemonstrationen und der medienwirksamen Auftritte des Mädchens aus Schweden, das Gefahr läuft, heilig gesprochen zu werden. Was den Verzicht anbelangt: Als Leute von heute sind wir geneigt, immer in Preis-Leistungs-Kategorien zu denken. Was bringt es mir, wenn ich mich für dies oder jenes einsetze? Bei Annemaries Alkohol-Verzicht scheint der Zusammenhang einigermassen klar zu sein: Die Leber freut sich über die Entlastungskur,

 und vielleicht registriert nach etwa drei Wochen die Waage eine Gewichtsreduktion von einem Pfündchen. Aber wenn ich mir’s richtig überlege: Jede vergleichsweise kleine Verzichtsübungen könnten zur Überlegung führen, was in meinem Leben verzichtbar und was unverzichtbar ist. Wie weit bin ich fähig, einen Vorsatz zu fassen und ihm eine Weile konsequent zu folgen? In welchem Masse bin ich in der Lage, mutig meinen eigenen Weg zu gehen – ohne all jene mit Verachtung zu strafen, die einen anderen Weg gehen wollen? Und bin ich nicht geradezu vom Glück begünstigt, wenn ich mir freiwilligen Verzicht leisten kann, ohne selbst Entbehrung leiden zu müssen?

Verzicht stellt mich vor die Frage: Was eigentlich ist die Essenz des Lebens? Die von mir sehr verehrte Schriftstellerin Marie von Ebner- Eschenbach (1880-1916) hat auch zu dieser schwierigen Frage einen Denkanstoss gegeben:

<< Und ich habe mich so gefreut! >> sagst du vorwurfsvoll, wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde. Du hast dich gefreut – ist das nichts?

Beim nächsten Drei-Frauen-Mittagessen werde ich diesen Aphorismus anbieten, als Beilage zu den Bratkartöffelchen.

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