Warum Klein Franz am Ende dann doch etwas irritiert war

Elisabeth Büchel, 26.03.2019

Elisabeth Büchel
Elisabeth Büchel

Frau Maus wünschte sich neue Schuhe. Rote Schuhe. Vier Stück, mit Mäschchen dran. „Wir können unser Geld doch nicht zum Fenster hinauswerfen!“ schimpfte Papa Maus. Und da hatte er in gewissem Sinne recht, denn Frau Maus hatte schon blaue Schuhe, braune Schuhe und grüne Schuhe. Je vier Stück. Ausserdem hatte sie getupfte Stiefelchen und – dies muss vielleicht an dieser Stelle ergänzend erwähnt werden - lief sie meist ohne Schuhe herum, weil es bequemer war. Der kleine Franz aber hörte den Wunsch von seiner Mama und wäre sehr glücklich, wenn die Mama glücklich wäre. Nicht dass sie unglücklich gewesen wäre, keineswegs, aber sie dachte wohl, dass sie mit roten Schuhen noch ein klein wenig glücklicher sein könnte. Und wisst ihr, was Franz gemacht hat? „Warum eigentlich nicht?“, hat er gedacht, hat kurzerhand sein Sparschwein zertrümmert und das einzige Goldstück, das darin war, zum Fenster hinausgeworfen. Schwupp!

Das Goldstück hätte beinahe das Haus von Schnecke Frieda zertrümmert. Es landete haarscharf daneben. „Nanu“, dachte Frau Schnecke. „Es regnet Goldstücke, das ist ein Segen. Nun kann ich mir endlich ein grösseres Haus kaufen!“ Und sie machte sich auf den Weg zum Zimmermann Dachs. Unterwegs begegnete sie Igel Max. „Das ist jetzt aber gut, dass ich dich treffe“, sagte Max. „ich habe nämlich einen riesen Hunger und werde dich gleich auffressen.“ Da Frieda, wie ihr euch denken könnt, nicht gerade begeistert war von Igels Vorhaben, bot sie ihm das Goldstück an. Damit könne er beim Bäcker Hase viele feine Sachen kaufen, Kuchen und Torten, jede Menge! Das gefiel dem Igel. Er nahm das Goldstück und machte sich auf den Weg zum Bäcker. Frau Schnecke träumte indes weiter von einem grösseren Haus. Auf dem Weg zur Bäckerei wäre Igel Max ums Haar von einem Auto überfahren worden. Im letzten Augenblick rief Fuchs Bruno: „Pass auf, du dummer Kerl!“ Also passte er auf und kam mit dem Leben davon. Zum Dank bot er dem Fuchs das Goldstück an. Dieser aber wollte zwei, denn immerhin habe er ihm ja das Leben gerettet. Das sah Max ein und gab dem Fuchs ohne lange zu fackeln seine ganzen Ersparnisse. Und das waren noch drei Goldstücke obendrauf. „Geht ja,“, dachte Fuchs und ging seines Weges.

Als er dem Pfau Karl begegnete, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Aber der Karl war schlau – denn wenn man um sein Leben bangt, hat man oft die besten Ideen - und machte dem Fuchs ein einmaliges Angebot. Für nur gerade zehn Goldstücke würde er ihm stilistisch etwas auf die Sprünge helfen. Mit struppigem Fell und Dreckschnauze würde er sonst nie eine Frau finden. Und eine Pfauenfeder bot er ihm obendrein auch noch an. Fuchs Bruno ging den Handel ein, überliess Herrn Pfau zehn Goldstücke, schmückte sich mit farbigen Federn und ging auf Brautschau. Ob er eine nette Füchsin gefunden hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Aber schon bald klingelte bei Herrn Pfau die Kasse. Nicht nur Füchse, nein auch Hühner, Frösche, Katzen, ja sogar Schweine verspürten plötzlich die Notwendigkeit, sich mit fremden Federn zu schmücken um ihr Äusseres aufzupeppen und liessen sich für nicht unbeträchtliche Beträge von Herrn Pfau beraten und neu einkleiden.

Dies entging Elster Elsa nicht. Sie sprach bei Karl vor und bot ihm an, die vielen Goldstücke sicher zu verwahren. Man wisse ja nie, ein reicher Gockel wie er wecke bestimmt auch Begehrlichkeiten bei so manchem Gesindel. Pfau Karl war der Elster sehr dankbar, denn er hatte Wichtigeres zu tun als tagaus tagein seine Goldstücke zu verwalten. Er wollte nämlich in Schuhe investieren. Und dann musste er sich Gedanken machen um die neue Frühlingskollektion, denn er liebäugelte mit Papageienfedern. So kam es, dass über 500 Goldstücke in Elsters Nest eingelagert wurden. Eine Riesenarbeit für die arme Elster. Aber sie erlaubte sich das eine oder andere Stück abzuzwacken – man muss ja nicht alles umsonst tun, bei aller Güte, wirklich nicht, dachte sie und liess sich ein zweites, drittes und viertes Nest bauen. Jedes ein wenig grösser als das Vorherige.

Ein Nest aber war just auf dem Baum, der im Garten einer Mäusefamilie stand. Ja, die Familie mit dem kleinen Franz. Und das Nest wird vielleicht beim nächsten Föhnsturm auch runterfallen. Vielleicht sogar genau vor die Haustüre von Familie Maus. Wer weiss! Mama Maus wird dann aber bestimmt nicht die Erste sein, die es finden wird. Denn die ist seit Kurzem sehr beschäftigt. Und sehr glücklich. Sie entwirft nämlich Schuhe für Pfau Karl. Und dieses Jahr sind rote angesagt. Mit Mäschchen.

Eines Tages – klein Franz wollte seine Mutter im Atelier abholen – traf er den berühmten und vielbeschäftigten Karl Pfau. „Darf ich dich was fragen?“, bat er den König der Schönen. „Heute gebe ich keine Interviews, bin viel zu beschäftigt. Mach einen Termin mit meiner Assistentin!“ entgegnete Karl und wollte sich schon seiner neuen Muse, dem geschmeidigen Kater, zuwenden. Franz gab aber nicht so schnell klein bei, stellte sich vor den Pfau und platzte mit der Frage heraus, die ihn schon seit langem beschäftigte: „Kannst du mir sagen, wie man so reich wird wie du?“ „Ach Kleiner,“, Karl neigte seinen Kopf ganz leicht zu Maus hinunter, rückte seine Sonnenbrille etwas zurecht und meinte: „Ganz einfach, wirf deine Goldstücke zum Fenster hinaus und du wirst schon sehen.“ Und weg war er.

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