Worte nur

Julia Onken, 01.03.2019

Julia Onken
Julia Onken

Langer Flur bis zum Klostertrakt. Mir zwar vertraut, nicht nur weil ich hier geboren wurde und auch als Kind einen Krankenhausaufenthalt hinter mich gebracht hatte, sondern weil ich immer wieder Menschen besuche, die krank sind, manchmal schwer, ohne Hoffnung auf Heilung.

Heute, ein besonders schwerer Gang. Trotz tiefer Zuversicht, dass Sterben nicht das Ende bedeutet und die Seele weiterleben wird, bin ich innerlich aufgeweicht. Das Krankenzimmer, still und aufgeräumt, in Kissen tief versunken fragende, ratlose Augen. Es ist ein Moment, der nur zu bestehen ist, wenn keine Fragen mehr Platz finden und ein vom Herzen ausgehender warmer Strom der Zuneigung die Handlung bestimmt. Ich umfasse die einst so tatkräftigen Hände, denen nie etwas zuviel war, die beinahe rastlos stets unterwegs Neues freudig anpackten. Ich streichle vorsichtig die Wangen, die sehr hohe Stirn, von feiner Haut umspannter Ort der Gedanken, die sich bis vor kurzem mit komplizierten Projekten noch beschäftigte. Ich habe keine Blumen mitgebracht, nur Worte, Worte als Handlauf, um das Unfassbare allmählich zu ertasten. Wir folgen den beinahe lautlosen Bildern, die da auftauchen, erlauschen die inneren Bewegungen «ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen...», Erinnerungen, lassen sie sprechen, gelegentlich zaubern sie ein wissendes Lächeln auf das müde Antlitz, gar ein leises Schmunzeln «... und ich weiss noch nicht, bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein grosser Gesang.»

Als ich gehe, bin ich zwar traurig, aber zuversichtlich. Wir können dem lieben Gott nicht aus der grossen Hand herausfallen. Alles hat seine Zeit.

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