Elisabeth Büchel Neuhold, 17.05.2018
Ein Bauer bekam eines Tages Besuch von einem smarten Vertreter einer Consultingfirma. Dieser schaute sich auf dem Hof um, klopfte dem Bauern auf die Schultern und schlug ihm vor: „Lass uns gemeinsam auf den Weg gehen.“ Er könnte ihm gerne ein paar Vorschläge zur optimaleren Nutzung seiner Ressourcen machen. „Das machen heute alle, lieber Bauer. Du willst doch mit der Zeit gehen. Du willst doch das Optimum an Ertrag mit einem Minimum an Aufwand aus deinem Betrieb holen. Oder etwa nicht?“ Natürlich wollte das der Bauer, bedankte sich ganz herzlich, bezahlte eine nicht unbeträchtliche Summe für den Rat und hiess Mister Smart, der sich ganz uneigennützig als Mentor für dieses Umstrukturierungsprojekt zur Verfügung stellte, weitere Abklärungen zu treffen. Das Geld war es ihm allemal wert, denn er selber konnte beim besten Willen nicht ausmachen, wo er auf seinem Hof etwas optimieren könnte, ja hatte nicht einmal bemerkt, dass etwas nicht optimal lief!
Einige Monate später machte ihm die Consultingfirma folgenden Vorschlag: Inkorporation der Hühner zu den Kühen. Nicht im örtlichen Sinn oder gar im politischen, nein im biologischen. Steuerung der gesamten Produktion von einem einzigen Gehirn aus! Dies würde einiges an Einsparungen bringen. Er – der Bauer – solle sich nur den Minderaufwand an Gebäudekosten, Futterkosten, Personalaufwand etc. etc. vorstellen. Längerfristig sei die Fusion zum Kuhhuhn zwar kostenneutral, dafür sei die Form zeitgemäss und überhaupt, jetzt wo die Abklärungen ja schon so weit fortgeschritten seien… Dies überzeugte den Bauern. Er bezahlte dem smarten Berater wiederum eine beträchtliche Summe und ein Jahr später weideten auf seinen Wiesen keine Kühe und im Hühnerstall gackerten keine Hühner mehr. Auf seinem Hof standen Kuhhühner. Die Tiere standen auf vier dünnen, langgestreckten Hühnerbeinen, der hintere Körperteil war befedert, der vordere glich nach wie vor einer Kuh, wies jedoch anstatt zwei Hörnern zwei Schnäbel zur effizienteren Nahrungsaufnahme auf. Der flotte Mentor klopfte dem Bauern erneut auf die Schultern, gratulierte selbigem zu seinem innovativen Geist, kassierte den letzten Rest – der nicht unbeträchtlichen Summe - und machte sich aus dem Staub, respektive aus dem Matsch des neu angelegten Kuhhuhngeheges.
Da der Bauer seinen besten Knecht entlassen hatte (irgendwo musste er ja Einsparungen machen, denn das aufwändige Projekt generierte doch noch einiges an Nebenkosten - nebst der unbeträchtlichen Summe wohlgemerkt) blieb es schliesslich an ihm allein, von Tier zu Tier zu rennen, um die Eier aufzufangen, bevor sie aus zu grosser Höhe auf dem Boden aufschlugen und die armen Tiere dreimal täglich in die vollautomatisierten Melkstrasse treiben, da ihre dünnen Beinchen ob dem Gewicht der vollen Euter sonst ständig einknickten. Nachts musste er oft aufstehen um die Kuhhühner zu beruhigen, denn sie verletzten sich gegenseitig mit ihren Schnäbeln. Die Tiere selber zeigten sich überhaupt nicht kooperativ oder einsichtig, ja wollten nicht einmal mehr gestreichelt werden. Offenbar hatten sie die Trägheit der Kühe und den Intellekt der Hühner in ihrem Gehirn vereint – kleine Unachtsamkeit des Genlabors, wofür Mister Smart leider keine Verantwortung übernehmen konnte, was der Bauer natürlich verstand. Da ihn die Korrektur einen nicht mehr tragbaren Aufpreis gekostet hätte (allein die Kosten für die Problemanalyse überstiegen seine finanziellen Möglichkeiten), begnügte er sich mit einer Beschreibung des Sachverhalts in den Evaluationspapieren.
Wenn der Bauer dann ganz erschöpft wieder ins Bett fiel, hörte ihn seine Frau murmeln: „Nur ein paar Abklärungen … mit dem Geld hätte ich mir eine ganze Kuhherde kaufen können!“ „Oder ein modernes Freilaufgehege für die Hühner!“, fügte sie dann hinzu und löschte das Licht. Aber da träumte der Bauer schon von den guten, alten Zeiten.