Dora Kostyál - Marterpfahl der Sonderregelungen

Dora Kostyál, 26.02.2021

Dora Kostyál
Dora Kostyál

Womit wird „Frühlingserwachen“ in Zusammenhang gebracht? Mit der Natur oder mit der Jugendzeit. Und „tote Hosen?“ Mit Ereignislosigkeit, Schwunglosigkeit und Impotenz.

Ein kleiner Zeitungsbericht: Eine Gruppe von Jugendlichen ist im Ausgang. Die Freunde werden über ihre Befindlichkeit befragt.

Antwort: „Seit dem Lock down gibt es viel mehr Stress und Prügeleien.` M. kämpft mit Drogenproblemen. `Als ich nicht mehr rauskonnte, begann ich zu Hause allein immer mehr zu konsumieren, bis ich in die Klinik kam. Nach zwei Monaten war ich wieder draussen, doch besser geht es mir nicht. Es macht mich fertig, dass ich keine unbeschwerte Zeit mehr mit meinen Kollegen verbringen kann.`

` Die Erwachsenen sollten sich in unsere Lage versetzen`, fordern die anderen.

`Wir sind jung. Das sollte doch die beste Zeit unseres Lebens sein! Das lassen wir uns von dieser Pandemie nicht nehmen`, sagen sie.“

Ja, wir sind schon lang genug an den Marterpfahl der Sonderregelungen gefesselt und es stimmt auch, dass die Jugendlichen – je nach dem - noch mehr als die Erwachsenen unter dieser Situation leiden. Aber wo ist es vorgeschrieben, dass die Jugend „eine unbeschwerte Zeit“ zu gut hat und diese die „beste Zeit ihres Lebens“ sein sollte? Wo in aller Welt besteht diese wahnwitzige Forderung noch ausserhalb der Wohlstandgesellschaften West-Europas und der USA? Auf welcher Grundlage ruht sie, mit welcher Begründung?

Ablenkung, Zerstreuung, „Fun“, Schönheitswahn und Selbstdarstellung als Lebensinhalt, anstatt seinen Platz und einen Sinn in seinem Leben zu finden? Etwas selber zu erarbeiten und nicht alles fertig und vorgekaut mit dem Breilöffeli gefüttert zu bekommen? Selbstgefällig da stehen und das Vorgefundene kritisieren, aber mehrheitlich selber tatenlos bleiben?

Frühlingserwachen heisst, aus dem Erstarrten, Abgestorbenen Neues hervorbringen. Die in einem innewohnende, unverbrauchte und ungebändigte Kraft in Aufbau und Gedeihen investieren. Wo wird in der Natur der Ruf nach optimalen Voraussetzungen (sprich Verwöhnung und Sonderbehandlung) laut, bevor ein Samen austreibt? Sucht sich das Leben nicht immer einen Raum, eine Möglichkeit, ohne dabei die Zeit mit Zerstreuungen zu vergeuden?

Sich ins Fertige zu setzen ist nicht nur bequem und faul, es stumpft auch ab, verhindert die Selbstentfaltung und fördert nur die Entstehung von „toten Hosen“, also eine Art Impotenz in der Lebensgestaltung.

Ja, in den Augen der 16-Jährigen bin ich alt. Oft wird in diesem Zusammenhang auch noch das Adjektiv „neidisch“ angedichtet. Ich empfinde aber eher Traurigkeit, wenn junges, unwiederholbares Leben verschwendet wird. In diesem Falle mit blinden Forderungen und Selbstbetäubung. In anderen Weltgegenden verloren durch Kinderarbeit, Armut, Hunger, Not, Hoffnungslosigkeit.

Doch ist es nicht unsere Aufgabe, angesichts von Selektion, Rückschlägen, Bedrohungen und Tod der Absurdität unserer Existenz einen Sinn abzuringen, ob bemessen auf einen Tag, eine Jahreszeit, ein Jahr oder auf acht Jahrzehnte?

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